Texas Patti ist ihr Künstlername, sie ist Werbegesicht von Beate-Uhse TV, Gewinnerin von acht Venus Awards unterschiedlicher Kategorien – und sie kommt aus Münster. Die ehemalige Zahnarzthelferin Bettina Habig über die Pornobranche zweier Länder, kaputte Liebe und Fremdgehen.
SSP: Wie fiel die Entscheidung, aus der Zahnarzthelferin Bettina die Pornodarstellerin Texas zu machen?
Texas: Nach zehn Jahren in meinem Ausbildungsbetrieb habe ich mir die Frage gestellt: Möchte ich das noch machen, wenn ich fünfzig bin? Eher nicht. Zu viel Routine. Meinen jetzigen Mann sah ich damals kaum. Ich lernte Patrick über ein Swinger Portal im Internet kennen, das heißt, wir waren da von Anfang an recht offen. Irgendwann hatte ich die Idee, uns beim Sex zu filmen. Völlig verwackelt, schlechtes Licht – alles, was man nicht braucht, war dabei. Dann haben wir es auf, wie wir dachten, verschiedenen geschlossenen Portalen hochgeladen, mit Mitgliedsbeiträgen, Einstiegshürden. Fälschlicherweise war eines davon für Amateurvideos. Herausgefunden haben wir das erst, als ich Monate später eine Überweisung auf meinem Konto fand. Hätten wir es auf den geschlossenen Portalen hochgeladen, hätten wir sogar dafür bezahlt, aber so verdienten wir Geld. Also haben wir monatlich ein Video hochgeladen, um uns den Jahresurlaub zu finanzieren. Natürlich war nicht alles finanziell motiviert, es war alles eher ein Spaß. Wir dachten: Wird schon keinem wehtun. Dann kam eines zum anderen. Wir bekamen DVD-Anfragen und Shootings am Wochenende. Gut zwei Jahre war das eine echte Doppelbelastung, bis ich zu Patrick sagte: Ich lebe nicht, um zu arbeiten und ich will auch nicht arbeiten, um zu leben, sondern ich will einfach Spaß haben und damit Geld verdienen. Das war die Hauptintention, weshalb Patrick und ich den Entschluss gefasst haben: Altes Leben Adé, wir machen jetzt nur noch Porno! Ich habe das nicht einmal bereut.
SSP: Hat sich durch diese Entwicklung der Sex verändert?
Texas: Natürlich wirst du experimentierfreudiger, aber ich glaube, das wäre früher oder später sowieso so gekommen. Ich teile Patrick mit anderen Frauen, er teilt mich mit anderen Männern. Wir reden dann darüber, das ist für uns gewissermaßen der Kick. Aber Patrick steht eben hinter der Kamera. Natürlich ist das irgendwo unfair. Zwischen uns hat sich aber nichts geändert. Am Set habe ich Sex aus animalischen Gründen, damit will ich nicht sagen, dass ich dabei „zu“ mache, aber keiner kommt an Patrick ran. Liebe, glaube ich, macht den Sex vollkommener.
Grundsätzlich stößt das oft auf Unverständnis bei Menschen, die nur Sex mit ihrem Partner haben. Da hört man oft: Du teilst dein Intimstes mit fremden Menschen, das ist ja schon wie Fremdgehen. Ich frage mich dann: Wo fängt Fremdgehen an? Wenn mein Mann nur Pornos von einer Darstellerin ansieht, finde ich das schon nicht in Ordnung.
Ich erlebe das ja hautnah: Es gibt Männer, die bei mir in der Webcam einen kompletten Seelen-Striptease hinlegen, wo es mehr um Lebensberatung als Erotik geht. Oft sind es Beziehungsprobleme, weil diese Männer sich nicht trauen, ihre sexuellen Interessen offen zu kommunizieren. Es geht da nie nur um Sex, die erzählen mir vom Hausbau und den Kindern. Das finde ich letztendlich viel intimer, als sich körperlich hinzugeben.
Für mich ist die Webcam anonym. Mein Gegenüber aber hat eine persönliche Bindung zu mir. Es ist ein Sex-Portal, trotzdem kommen in erster Linie Menschen in den Live Chat, um für diese zehn bis zwanzig Minuten Aufmerksamkeit zu bekommen. Ein junger Kerl meinte, er sei schüchtern und das käme bei Frauen schlecht an. Im Internet kann er das frei erzählen. Wenn ihm etwas peinlich würde oder hätte ich ihn gar ausgelacht, wäre ich mit einem Klick verschwunden. Diese Anonymität bietet Schutz. Es ist schade, dass es in unserer Gesellschaft so weit gekommen ist, dass man seine Probleme lieber der Webcam statt irgendeiner Braut in einer Bar erzählt.
SSP: Du hast einen einmaligen Einblick in den deutschen und den amerikanischen Markt. Würdest du sagen, es gibt in der Branche regionale Unterschiede?
Texas: Der amerikanische Markt ist mehr „mainstream“. Die ganz klassische boy/girl action wird hier wesentlich häufiger gedreht, was davon ins Ausland dringt sind aber die Nischenprodukte, wie Evil Angel, die hauptsächlich Analverkehr filmen. Das Problem ist natürlich auch, dass die amerikanische Gesetzgebung total einschränkend ist. Auf Deutsch gesagt: Urinieren vor der Kamera ist untersagt. Genauso verhält es sich mit Außenaufnahmen. Das ist in Deutschland zwar genauso verboten, stört aber so gut wie keinen. Dann ist es stark davon abhängig, in welchem Bundesstaat du drehst. Ich shoote nicht umsonst viel in Las Vegas, weil es dort keine Kondompflicht gibt.
SSP: Drehst du lieber ohne Kondom?
Texas: Im Grunde genommen finde ich das gut. Die Jugend hat extremste Komplexe durch die Pornoindustrie internalisiert, von großen Schwänzen bis hin zu unrealistische Szenarien. Herrgott, er ist Pornodarsteller, weil er einen großen Schwanz hat. Ich habe auch noch keinen 1.50 Meter großen Menschen beim Basketball gesehen. (lacht) Die Jugend sieht aber nur das: Der Handwerker kommt rein und die Sache geht los. Die ganze „Scheiß auf Kondom“-Mentalität kommt meiner Meinung nach vom Pornogucken. Das, was ihr da seht, ist eine Illusion.
Die Darsteller sind alle vorher getestet. Für mich persönlich ist drehen ohne Kondom besser, aber nicht wegen des Gefühls, sondern aus rein pragmatischen Gründen: Latex wirkt einfach austrocknend. Ich fände es besser, würde das Kondom mehr kommuniziert. In Deutschland drehe ich sowieso nur mit Kondom, weil die Testsysteme weniger transparent sind. In Amerika hat jeder Produzent Zugriff auf deine Laborergebnisse, was in Deutschland wegen des Datenschutzes nicht erlaubt ist. Dementsprechend kann da auch viel gepfuscht werden.
SSP: Gibt es einen starken Schönheitsdruck?
Texas: Aussehen ist wichtig – aber es ist egal, wie du aussiehst. Es gibt für alles einen Markt. Nischen, die sehr gut gehen, sind zum Beispiel: stark Tätowierte, Mädels mit extrem vielen Narben, viele Fettleibige. Wenn du viel drehen möchtest, ist es natürlich sinnvoll, wenn du so gewöhnlich wie möglich aussiehst und mittleres Alter hast. Das ist in der Pornobranche so 25.
SSP: Du sagst, unter 24 sollte niemand in die Pornobranche gehen. Weshalb?
Texas: Ich hatte gestern wieder eine 19-Jährige am Set. Sie ist also in den Staaten nicht alt genug, um Alkohol zu trinken, kann aber Pornos drehen. Sie hat mit 16 die Schule beendet und verdient sich jetzt sicherlich eine goldene Nase, aber sie hat nichts. So werden diese Mädels auf eine anormale Verdienststruktur gehoben, werden zu absoluten Diven und wenn dann mit 25 die Buchungen zurückgehen, kommt der Fall. Wenn du selbstreflektiert bist, suchst du dann etwas nebenbei. Aber ohne Schulabschluss? Oder du gehst mit 22 in die Pornobranche und hast zwei Jahre unfassbar Spaß daran. Dann bist du damit durch und würdest gerne zur Polizei gehen. Das wird Nichts. Ich glaube einfach, unter 25 kannst du das nicht richtig einschätzen und deswegen verheerende Fehlentscheidungen treffen. Diese Überzeugung setzten Patrick und ich übrigens auch bei unserem eigenen Label um.
Abgesehen davon ist es ja so: Es ist mit 19 nicht normal, sich von zwei Männern ficken zu lassen und zeitgleich von drei weiteren anspritzen zu lassen. Das war damals nicht meine Fantasie; ich habe mich dahin entwickelt, weil ich älter geworden bin und Erfahrungen gesammelt habe. Aber diese Mädels hatten ihr erstes Mal Analsex bei Evil Angels mit Tommy Pistol. Was ist das denn für ein Leben?
SSP: Was möchtest du unseren Leser:innen mitgeben?
Texas: Über Menschen, die in der Sexindustrie arbeiten, nicht mehr die Nase zu rümpfen, sondern das einfach als exotischen Job zu sehen: Es ist das Schönste der Welt, wir machen nichts Verbotenes und wir entertainen die Leute einfach auf eine sexuelle Art und Weise. Das ist, als ob man sagen würde: Bei Aldi gehe ich nicht einkaufen, aber jeder kauft bei Aldi ein. So ist das mit Sexportalen, Clips usw. auch – jeder hat schon mal zumindest eine Sequenz eines Pornos gesehen. Jeder guckt es, aber niemand möchte damit in Verbindung gebracht werden. Aber es ist kein Schmuddelmilieu mehr; es ist ein professionelles Business, in dem Lust und Spaß vermittelt wird.
Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des Semesterspiegels (#439). Weitere Inhalte findet ihr exklusiv nur im Heft (PDF).