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MIRAI – Zukunft auf Japanisch

Mit einem Austauschprogramm des japanischen Außenministeriums in Tokyo und Hiroshima

Für uns Deutsche ist Japan ein weit entferntes Land, nicht nur in Zeiten von Corona. 

Für mich hat, Japan immer eine gewisse Faszination ausgeübt. Umso mehr freute ich mich als ich vom MIRAI-Programm des japanischen Außenministeriums erfuhr: Um den Austausch zwischen jungen Leuten aus Europa und Japan zu ermöglichen, hat es das MIRAI-Programm (engl. Mutual Understandings, Intellectual Relations and Academic Exchange Initiative) ins Leben gerufen. 

Foto: Fabian Martin Troschel

Das Stipendium ermöglicht die Teilnahme an einer einwöchigen Japan-Reise, wobei Programm, Flüge, Unterkunft und Verpflegung gestellt werden. MIRAI-Reisen gibt es mehrfach im Jahr, 2019/20 wurde das Programm zu den Studienschwerpunkten „Politik und Sicherheit“, „Wirtschaft“ und „Wissenschaft und Technologie“ angeboten, wobei ich mich als Medizinstudent mit einer großen Wissenschaftsbegeisterung für die letzte Version bewarb. Einige Wochen nach dem Ausfüllen eines Onlineformulars erhielt ich tatsächlich eine E-Mail mit der Einladung zum Telefoninterview. Und schon bald nach einem freundlichen Gespräch erhielt ich die ersehnte Nachricht, dass ich als Teilnehmer für das Programm ausgewählt war. Insgesamt wurden in meiner Programmgruppe 39 Studierenden aus ganz Europa – von Estland bis Spanien, von Irland bis Kroatien – eingeladen, darunter vier Deutsche.

So flog ich dann, schon gut mit einem Arrival Guide und einer Packliste von den Organisatoren ausgerüstet, eines schönen Samstags Anfang März über Helsinki nach Tokyo. Schon am Flughafen war ich bei meiner Ankunft von der Effizienz der Japaner beeindruckt, die mein Gepäck in Rekordzeit beschafften und mich ohne jede Wartezeit durch die Passkontrolle schleusten. Direkt am Ausgang erwarteten uns schon unsere Guides für die Woche, Kei-san und Nanako-san (san als japanische Respektanrede). Mit dem wartenden Bus wurde die Gruppe, die sich schon weitgehend gefunden hatte, direkt zum ersten Schrein gefahren, wo wir den japanischen Buddhismus, aber auch die Einflüsse des Shintoismus kennenlernten. Abends fuhren wir dann ins Viertel Shibuya, wo wir die berühmte Hundestatue sahen. Sie erinnert an den Hund Hachikō, der sein Herrchen jeden Abend nach der Arbeit am Bahnhof Shibuya abholte. Auch als sein Besitzer tagsüber auf der Arbeit an einer Hirnblutung verstarb, kam der Hund zum Bahnhof – und ab dann, bis zu seinem eigenen Ableben 10 Jahre später, jeden weiteren Tag, auch wenn sein Herrchen natürlich nie erschien. Für die Japaner, die Treue sehr schätzen, Grund genug, dem Tier eine Statue zu errichten.

Foto: Fabian Martin Troschel

Am nächsten Tag stand der Austausch im Mittelpunkt: Die Einführungsveranstaltung im Außenministerium gab uns die Möglichkeit, unsere Wünsche und Erwartungen, aber auch unseren Hintergrund vorzustellen. Auf der anderen Seite erfolgten kurze Einführungen, u.a. durch eine Vertreterin des Departments Wissenschaftsdiplomatie und den Direktor Policy Europe & NATO des Außenministeriums. Anschließend stellte dann Prof. Tachibana aus dem Shibaura Institute of Technology (SIT) die Wissenschaftsgeschichte seines Landes vor. Für den nächsten Tag waren wir dort eingeladen, um uns mit den japanischen Technologie-Student:innen auszutauschen. In gemischten Teams präsentierten wir dann je ein europäisches und japanisches Unternehmen – was uns einmal mehr vor Augen führte, dass Japan allein ein gleichwertiger Handelspartner der ganzen EU ist. Der Austausch unter den Studierenden wurde – dann entschieden informeller – bei Sake (Reisschnaps) und Pflaumenwein abends fortgesetzt. 

Nach einem Besuch auf dem Tokyo Tower, der (nicht zufällig) aussieht wir der Eiffelturm, aber (ebenso nicht zufällig) auch ein bisschen höher ist als dieser, fuhren wir mit dem japanischen Schnellzug Shinkansen von Tokyo nach Hiroshima. Für die Strecke, etwa 800 km, benötigten wir vier Stunden bei Spitzengeschwindigkeiten von knapp 300 km/h. Dass der Zug auf die Minute pünktlich war versteht sich von selbst. Vielleicht sollte Japan auch einen Austausch für die Deutsche Bahn anbieten.

Für die Japaner (und die Welt) waren die Einsätze der Atombombe in Hiroshima und Nagasaki ein einschneidendes Erlebnis, das sie bis heute prägt. Wir wurden von einem „in-utero-Überlebenden“ des Abwurfs geführt, der seine Kritik an dem Abwurf für japanische Verhältnisse überdeutlich klarmachte. Es ist ein schwieriges Gefühl, an dem Ort zu stehen, an dem Zehntausende unschuldige Menschen starben, verbrannten, verstrahlt wurden. Und es bleibt wohl eine der großen Debatten des 20. Jahrhunderts, wie der Einsatz der Atombombe im Zweiten Weltkrieg zu bewerten ist. Der Erfinder J. Robert Oppenheimer beschrieb ihre Wirkung mit dem hinduistischen Zitat „Jetzt bin ich zum Tod geworden, der Zerstörer der Welten.“ – nirgendwo ist das klarer zu verstehen als in Hiroshima und Nagasaki. Dennoch hegen die Japaner im Wesentlichen keinen Groll gegen Amerika oder den Westen, sondern sehen sich als Teil desselben, auch in der regionalen Auseinandersetzung mit China und Nordkorea.

Hiroshima selbst ist längst wiederaufgebaut, heute leben hier wieder hunderttausende Menschen, allein das Friedensdenkmal inmitten eines weitläufigen Parks erinnert an die Zerstörungen von 1945. So hatten wir dann auch die Gelegenheit, die wiederaufgebaute Stadt, ihre kulinarischen Spezialitäten und Sehenswürdigkeiten zu bewundern. Besonders spektakulär war zweifellos die Insel Miyajima, auf der sich zahllose kleine und große buddhistische Schreine befinden. Hier spürt man das buddhistische Erbe der japanischen Gesellschaft an jeder Ecke – eine völlig fremde, aber sehr bereichernde Erfahrung.

Zurück in Tokyo standen Besuche bei verschiedenen Technikunternehmen auf dem Programm, darunter Cyberdyne, eine Firma, die Robotik zur Muskelkraftverstärkung orthopädisch-chirurgischer Patienten entwickelt und Fuji, einem Vorreiter der Computertechnik. Nicht zuletzt bereiteten wir eine Präsentation unserer Eindrücke der Reise vor – denn am letzten Tag kehrten wir ins Außenministerium zurück. In Gruppen präsentierten wir unsere Erfahrungen und Eindrücke und dankten vor allem den Organisatoren für die großartige Erfahrung. Als abschließendes Highlight wurde uns Bei einem 7-Gänge-Mittagessen(!) eine Teilnahmeurkunde überreicht. Und anschließend zog es uns ins Elektronikviertel Akihabara, wo wir nach einem klassisch-japanischen Ramen-Abendessen (= japanische „Suppe“) den Rest unserer umgetauschten Yen beim Spielen an den Konsolen oder an den Greifarmen umsetzten – mit begrenztem Erfolg, aber viel Spaß. 

Foto: Fabian Martin Troschel

Nachdem sich das Coronavirus blitzartig in Europa ausgebreitet hatte, war unser Flugzeug zurück ziemlich leer und den Düsseldorfer Flughafen hat man wohl selten so menschenleer erlebt. Fürs erste werden weitere Reisen wohl auch nicht mehr möglich sein. Aber wir alle, die wir die großartige Gelegenheit hatten, Japan über das MIRAI-Programm kennenzulernen wollen wieder zurück. Denn wir durften ein Land kennenlernen, das uns alle begeistert hat und wir sind alle dankbar für das Stipendium und die Möglichkeit, die damit verbunden war. In Gesprächen mit den Mitarbeitern des Außenministeriums haben wir alle darauf gedrängt, dieses großartige Programm weiter zu finanzieren und zu erhalten – für die nächsten Generationen an Stipendiatinnen und Stipendiaten. 

Japan mag ein geographisch weit entferntes Land sein. Aber als ein Freund der EU und ein wahnsinnig gastfreundliches Land ist es uns näher, als die reine Geographie erahnen lässt.

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