„Our liberties we prize and our rights we will maintain“ ist Iowas Staatsmotto. Tatsächlich trifft unsere Autorin Janna an der zweiten Station ihrer Reise durch die USA auf Menschen, die besonderen Wert auf ihre Entscheidungsfreiheit legen. Mit Todd hat sie für unsere Serie „SSP asks USA“ intensiver über seine Erwartungen für die Zukunft des Landes gesprochen.
Fotos von Janna Ringena
In den 1920er-Jahren wanderte der Bruder meines Urgroßvaters nach Wellsburg in Iowa aus, wo seine Nachkommen bis heute leben. Im März 2007 waren einige von ihnen zu Besuch in Ostfriesland, meiner Heimat. Ich war damals 13 Jahre alt und habe mir fest vorgenommen, die Familie in Amerika möglichst bald zu besuchen. Zehn Jahre später war es nun endlich soweit.
Iowa ist ein sehr dünn besiedelter, durch Landwirtschaft geprägter Staat im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten. Derzeit leben dort rund drei Millionen Menschen. Politisch ist er vor allem als „Swing State“ relevant und hat dahingehend Bedeutung, dass hier die ersten Vorwahlen der Präsidentschaftswahlen stattfinden, die oftmals maßgeblich für den weiteren Verlauf des Wahlkampfes sind. Donald Trump hat hier im März 2016 gegen Ted Cruz verloren, gewann Iowa als „Swing State“ jedoch trotzdem für sich. Gemutmaßt wird, dass seine Wähler wirtschaftlich abgehängt und politisch ungebildet seien. Dem entgegen spricht, dass die Arbeitslosenquote in Iowa mit 3,6 Prozent unter dem Gesamtdurchschnitt der USA von 5,1 Prozent liegt. Das Einkommen pro Kopf liegt außerdem nur leicht unter dem Gesamtdurchschnitt.
[supsystic-slider id=3 position=“center“]
Entscheindungsfreiheit first
Die politischen Diskussionen mit meinen amerikanischen Verwandten bestätigen dieses Bild. Weder die Mauer noch die Ausbrüche Donald Trumps in sozialen Netzwerken finden bei den republikanisch Gesinnten Zustimmung. Im Gegensatz zum Europäer ist den Menschen hier jedoch weniger der Sozialstaat, sondern insbesondere die eigene Entscheidungsfreiheit wichtig. Der Staat sei vor allem dazu da, dem Individuum Sicherheit zu gewährleisten, und soll nicht vorschreiben, wie dieses sein Leben zu gestalten habe. Das „Establishment“, vertreten sowohl durch die Clinton- als auch die Bush-Familie, findet keinen Anklang mehr. Das Thema „Innere Sicherheit“ wurde Hillary Clinton durch die E-Mail-Affäre zum Verhängnis. Wer unerfüllte Versprechungen seitens der Regierung leid war, wählte Donald Trump.
„More power to the individual.“
Die erste Kategorie bezieht sich auf die Wirtschaft der Vereinigten Staaten. Todd erwartet hier unter Trump eine Deregulierung, das heißt eine vermehrte Kompetenzübertragung auf die einzelnen Staaten. Zudem würde die Infrastruktur ausgebessert werden, was insbesondere zu Steuererhöhungen für die Mittelklasse führen werde. Dies entspricht nicht seinen Wünschen; er fordert steuerliche Entlastungen. Die Deregulierung ist jedoch in seinem Sinne, da so Steuergelder in den einzelnen Staaten verbleiben und diejenigen, die die Steuern gezahlt haben, direkt von ihnen profitieren.
In der zweiten Kategorie spricht Todd die Bildungspolitik an. Unter Obama wurde der sogenannte „Common Court“ eingeführt. Zur Vereinheitlichung des Bildungssystems setzt das amerikanische Kultusministerium Standards, die an allen Schulen streng umzusetzen sind. Todd selbst arbeitete nach seinem Studium als Lehrer und bemängelt, dass unqualifizierte Politiker diese Standards setzen. Er wünsche sich mehr „education on the ground“, also mehr Entscheidungsfreiheit für praktizierende Lehrer. Trump möchte den „Common Court“ abschaffen, was seinen Wünschen somit entspricht.
Die dritte Kategorie umfasst die Immigration in die Vereinigten Staaten als wohl umstrittenste Thematik in Bezug auf Donald Trump. Todd führt aus, dass die Grenze zu Mexiko sehr einfach passierbar sei; eine Kontrolle der Menschen, die in die USA einreisen, finde quasi nicht statt. Generell befürworte er Immigration. Es komme jedoch darauf an, dass die Menschen aus den richtigen Gründen einreisen, ohne dem Land Schaden zufügen zu wollen. In Kraft gesetztes Immigrationsrecht würde nicht konsequent umgesetzt werden. Insbesondere sei es kritisch, dass Menschen trotz abgelaufener Visa in den USA bleiben können, ohne entdeckt zu werden. Todd selbst hält eine Mauer nicht für die Lösung dieser Probleme und wünscht sich stattdessen eine bessere Umsetzung der bestehenden Gesetze.
Im Zuge der vierten Kategorie erklärt Todd mir die amerikanische Gesundheitspolitik, insbesondere die Problematik von „Obama Care“. Alle Amerikaner sind durch „Obama Care“ verpflichtet, Beiträge an die staatliche Krankenversicherung zu zahlen. Diejenigen, die sich zuvor um eine eigene private Krankenversicherung gekümmert hatten, haben höhere Beiträge zu leisten, wenn sie nicht stattdessen eine Strafzahlung an den Staat leisten. Profitiert hätten von „Obama Care“ nur diejenigen, die zuvor keine Krankenversicherung hatten und oft selbst kein Geld verdienen, sondern die Steuerzahlungen der arbeitenden Bevölkerung für sich nutzen. Todd wünscht sich eine Abschaffung dieses Systems. Er möchte selbst entscheiden können, wie er sich versichert und pocht auch hier auf eine Deregulierung des Systems. Zu erwarten sei dies trotz Trumps vermehrter Ankündigungen auf Twitter seiner Einschätzung nach jedoch nicht, da die Republikaner untereinander zu viele Differenzen hätten. Er ist sich sicher, dass das durch Obama etablierte Gesundheitssystem in seinen Grundzügen erhalten bleibe.
Die fünfte Kategorie betrifft die soziale Politik. In Bezug auf die Ehe für Homosexuelle erwarte er beispielsweise keine großartigen Veränderungen, weder im Hinblick auf die Abschaffung in den einen noch auf dessen Einführung in anderen Staaten. Er selbst habe kein Problem mit der Ehe für Homosexuelle, spricht sich aber auch hier für eine Deregulierung aus. Dies sollten die lokalen Gemeinden für sich entscheiden können.
Andere Sichtweisen
Todd hat uns viele neue Blickwinkel eröffnet. Sowohl innerhalb als auch außerhalb meiner Verwandtschaft hat man sich sehr für unsere, teilweise abweichenden Ansichten interessiert. Wie auch in New York zeigte man sich uns gegenüber überdurchschnittlich herzlich und hilfsbereit – meine Begeisterung für die Freundlichkeit der Amerikaner bleibt ungebremst.
Weiter geht es nach Chi- oder auch Schneecago, wo Sturm „Stella“ seine Spuren hinterlassen hat und wir unsere etwas ungeplant winterliche Reise fortsetzen.
Lest Teil 1 unserer Serie „SSP asks USA“: Make love not walls – New York City
Lest Teil 3 unserer Serie „SSP asks USA“: Reason and concern instead of emotion and animosity – Chicago