Deine Garderobe ist hell, die Schnitte schlicht, die Formen klar, die Outfits elegant. Dein Stil ist minimalistisch, aber nicht wenig, denn ein Hauch von Luxus rundet den Fit erst ab. Deine Wohnung ist clean, creme, controlled. Deine Haare sind lang, ordentlich, sauber. Du bist feminin, du bist gentle, du bist soft, du bist ohne Akne und definitiv ohne Körperbehaarung. Deine Persönlichkeit ist zu einhundert Prozent instagramable.
Der Vanilla Girl Trend lehnt sich an den Clean Girl Trend an, in dem mühelose Natürlichkeit und Reinheit richtungsgebend sind. Online-Guides reden von Schlichtheit und luxuriösem Minimalismus, der weit über Kleidung und Make-Up hinausgeht – der ein Lebensstil ist. Unter dem Hashtag „Vanilla Girl“ findet man Vanille-Duftkerzen, cremefarbene Sofas, helle Dielen, goldene Ringe, manikürte Nägel, schlanke Frauen, blonde Haare. Ein Trend, der Natürlichkeit bewirbt und der nicht viel braucht, könnte doch inklusiv sein. Es wird kein unnützer Krimskrams als notwendig deklariert, nur um nach einigen Wochen von etwas anderem abgelöst zu werden. Definitiv nachhaltiger als Labubus. Ein Trend, der es Frauen ermöglicht, sie selbst zu sein und sich vom übermäßigen Konsum der latenten Selbstoptimierung zu befreien? Ja, solange sie weiß und schlank sind. Solange ihre Haut glatt ist, ihre Wohnung schick, solange die Kaffeetassen zur Tischdeko passen. Und Minimalismus heißt hier auch nicht unbedingt erschwinglich. Du hast an deinem Küchentisch vier verschiedene Stühle vom Sperrmüll? Dein Sofa ist second hand von deiner Oma? Deine Nägel sind kurz, weil du in der Gastronomie jobbst (oder es einfach so magst)? Du hast dunkle Beinhaare? Pech gehabt! Kein Vanilla Girl Trend für dich. Obwohl das Sich-Berufen auf Natürlichkeit und Einfachheit nicht an sich schädlich ist, zieht die Verbreitung dieser und ähnlicher Lebensstandards und -stile viel mehr mit sich, als zunächst ersichtlich ist. Dabei sind sie doch im Kern nur die Stilisierung patriarchaler Rollenbilder. Diese sagen: Als Frau schlank, rein, natürlich und westlich schön zu sein, ist gut und richtig. Alles andere wird problematisch. Im Windschatten des Vanilla Girl Trends befinden sich altbekannte Diskriminierungen mehrfacher Art, denen durch die augenscheinliche Einfachheit solcher aesthetics der Weg bereitet wird. Wie so oft geraten dabei Menschen anderer sozialer oder ethnischer Herkunft in Vergessenheit. Menschen, die sowieso bereits damit zu kämpfen haben, dass sie bei Wohnungsbesichtigungen oder Jobbewerbungen wegen ihres Nachnamens oder ihres Erscheinungsbildes benachteiligt werden. Menschen, die auch in der saubersten Wohnung kein Vanilla Girl werden, weil ihre Haare zu dunkel und zu kraus sind, oder weil die beige, schlichte Kleidung nichts für ihren Körpertyp ist. Die Vanilla Girl und Clean Girl Trends suggerieren scheinheilig: Es ist leicht, so zu sein, wie wir. Man braucht nicht viel dafür. Dabei sind diese Trends überwiegend weiß, westlich und reich. Sie nehmen patriarchale Normen und ästhetisieren sie, denn das Ideal der ordentlichen, eleganten, natürlichen, soften Frau ist bei Weitem kein neues. Diese Trends erzählen dabei nicht nur von ökonomischem Wohlstand, sondern von gesellschaftlichen Privilegien insgesamt. Diese Profilierung über das Weiß-Sein, Clean-Sein, Feminin-Sein setzt normative Standards, die zum Ausschließen derer führen, die ihnen nicht entsprechen. Vanilla Girl und Clean Girl Trends sind etwas für Menschen, die sich nie Gedanken darüber machen mussten, ob sie als Frau rein genug, ordentlich genug, lieb genug, feminin genug sind. Sie sind etwas für Menschen, denen diese Kategorien nicht nur keine Probleme bereiten, sondern die in diesen Kategorien brillieren. Die unordentliche Frau, die wütende Frau, die haarige Frau, die störrische Frau, die dicke Frau, die schwarze Frau haben hier keinen Platz. Dabei sind die Vanilla Girls gar nicht die Bösen, die eigenhändig die Diskriminierung von Nicht-Vanilla-Girls befehlen oder verstärken. Als Frau in einer patriarchalen Gesellschaft ist es legitim, die gesellschaftliche Sicherheit und Akzeptanz anzunehmen, die mit der Anpassung an patriarchale Normen kommt. Wer würde nicht gerne die Privilegien nutzen, die mit dem Schlank-, Rein- und Natürlich-Sein einhergehen, also einem bessere Chancen auf die Traumwohnung versprechen? Anpassung an die Normen bedeutet oft auch gesellschaftliche Eingliederung und weniger soziale Komplikationen. Aber ein Vanilla Girl zu sein, kann sich nicht jede leisten. Und während Vanilla Girls von ihrer Stilisierung profitieren, kämpfen Frauen, die diesen stereotypischen Normen nicht entsprechen immer noch darum, als gleichwertige und nicht abnormale Menschen wahrgenommen und behandelt zu werden. Auch Vanilla Girls sind nicht alle gleich, und so gibt es bestimmt auch welche, die sich bereits ihrer Rolle in diesem patriarchalen Gefüge bewusst sind. Schließlich kann man die eigenen Privilegien auch hervorragend dazu nutzen, auf andere Missstände aufmerksam zu machen. Es wäre schön, bei Instagram und TikTok davon mehr zu sehen, statt der glatten Vogue-Magazine.
Das Aufspringen auf den Vanilla Girl Zug ist auch ein Aufspringen auf die Narrative und Werte des Patriarchats, solange man seine Privilegien nicht reflektiert bzw. anderweitig für marginalisierte Gruppen einsteht. Anpassung ist selten Fortschritt. Und Feminismus ist nicht immer Vanille.
Helena Jansen
