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PRO und PROTEST: Pink als Kampffarbe

PRO: Feminismus – weich, zart und pink

Darf Feminismus glitzern, pink und weich sein?

So pink wie Ikkimels High Heels, wenn sie auf die Bühne geht und singt „Schnauze halten, Leine an, Schatz jetzt sind die Weiber dran“, während sie einen Mann mit Hundemaske in einen Zwinger sperrt. Sollte Feminismus laut, wütend, meinungsstark und gleichzeitig emotional, weich und sensibel sein?

Die Farbe Pink steht für das Feine, das Zarte. Das klassisch „Weibliche“. Eben die Attribute, die im patriarchalen System weiblich gelesenen Personen angehängt werden, wie lästige Persönlichkeitsmerkmale. Frauen weinen, wenn sie ihre Tage kriegen. Sie sind emotionaler, wenn in Filmen die Protagonisten sterben. Sie sind fürsorglicher und ertragen das Leid der Welt schwerer. Sie schminken sich pinke Lippen und gehen dann einkaufen für ihren Mann.

Der einzige Grund, warum vielen diese Erzählung heutzutage so falsch erscheint, ist, weil Frauen seit Jahrhunderten dafür kämpfen, aus diesem Narrativ auszubrechen.

Frauen sind stark, sie sind wütend, sie sind laut. All das sind sie gleichzeitig. Und das ist okay. Frauen sind keine „single-story characters“, sondern genauso komplex, ambitioniert, fehlerhaft, mutig und stark wie Männer. Feminismus bedeutet die Befreiung aus der Anpassung an eine Gesellschaft, die nie für Frauen gemacht wurde. Eine Befreiung aus der Unterdrückung und der Benachteiligung. Gegen die Rollenklischees, die Erwartungen und den Druck, eine „gute Frau“ sein zu müssen. All diese Zuschreibungen triefen nur so von der Farbe pink. Also all dem, wogegen es sich im Feminismus zu widersetzen gilt. Gleichzeitig steht die Farbe pink aber auch für all das, was Männern, die in dieser patriarchalen Gesellschaft groß geworden sind, fehlt. Das Sensible, das Emotionale, das Zarte.

Feminismus bedeutet nicht, all die Attribute des typisch „Weiblichen“ abzulehnen. Es bedeutet, aus der Geschichte auszubrechen, die diese Attribute als „schwach“ bezeichnet hat. Der pinke Lippenstift und die pinken Highheels machen eine Frau nicht weniger zur Feministin. Im Gegenteil: Die Befreiung aus dem Patriarchat bedeutet beides gleichzeitig sein zu dürfen: schwach und stark. Pink und Blau. Es bedeutet im pinken Glitzerkleid auf der Bühne zu stehen und dabei die erfolgreichste Frau der Welt zu sein. Es bedeutet, emotional zu sein und sich nicht dafür zu schämen oder schwach zu fühlen. Feminismus darf pink sein, er darf glitzern, er darf girly sein. Alle Feminist*innen, die sich diese Attribute zu eigen machen, schaden dem Feminismus dabei nicht, im Gegenteil. Sie beweisen: die Emotionalität, das Weiche und Sensible war nie das Problem. Das Problem war das Patriarchat, das diese Attribute abgewertet hat.

PROTEST: Mehr Lila?

Lila ist die Farbe der Feminismusbewegung. Unbestreitbar hat sich aber die Farbe pink in feministischen Organisationen, bei Aktivist*innen und Meinungsführer*innen im Bereich Feminismus und auf Demos wieder etabliert. Eine Farbe, die eng mit weiblichen Stereotypen verbunden ist. Kann sich der feministische Aktivismus die Farbe pink wieder aneignen?

Die Farbe Pink hat in den Sechzigern die Babykleidung für Mädchen getönt. Sie hat sich den Vorstellungen von einem stereotypischen Frauen- und Genderbild angeschlossen. Pink geht als Teil einer patriarchalen Idee mit einem Glaubenssatz einher: Feminines abwerten. Sich mit Pink einzukleiden und diese Abwertung weiblich gelesener oder femininer Menschen wegzudenken, kann ihre Erfahrungen in einer Weise ausradieren. 

So ist das ein aktueller Gedanke, wenn feministische Organisationen versuchen, sich die Farbe Pink wieder zu eigen zu machen. Während die freie Entscheidung von Frauen nach Pink zu greifen (und überhaupt) wünschenswert ist, bleibt doch die Frage, ob es diese Freiheit auch ohne patriarchale Stereotype (aka Pink) geben kann. Das “reclaiming” von Pink im feministischen Kontext entfernt zuerst einmal leider nicht die gesellschaftlichen Assoziationen und die Gedanken eines stereotypischen Genderbilds. Die Gefahr von der Reproduktion von Gendernormen bleibt – auch, wenn es total schön ist, wenn sich Frauen darüber heutzutage keine Gedanken machen. Ein letzter Impuls: Können wir nicht Neues schaffen, um damit den Genderrollen entgegenzuwirken und die Gleichstellung der Geschlechter zu garantieren? So sollte es ja die feministische Kampffarbe Lila tun: Sie wurde aus den Farben Blau und Pink (stereotypisch stehend für Mann und Frau) zu einem ganz eigenen Symbol. Deshalb frage ich mich: Brauchen wir wieder mehr Lila?

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