Die Briten als Teil der EU – das war einmal. So langsam haben die europhilen Insulaner und wir Festlandhüter uns aus unserer Schockstarre befreit und die Leave-Wähler genug mit Verwünschungen gestraft. Jetzt müssen wir uns mit einer Briten-freien EU abfinden. Was aber kommt auf uns zu, wenn wir einen Studienaufenthalt im Land der Windsors planen? Wie geht es mit Erasmus weiter, wenn die Briten draußen sind? Wir haben Nina Karidio vom International Office der WWU Münster gefragt.
Eines ist klar: Der Brexit kommt mit einem wahren Verhandlungsmarathon daher. Es wird wohl nicht nur über den Zugang zum Binnenmarkt und die Freizügigkeit der EU-Bürger gehen, sondern auch um ein Thema, das zahlreiche Studenten unmittelbar betrifft: Erasmus, das Austauschprogramm der EU, das Studierende seit dreißig Jahren ermöglicht, einen Eindruck vom Studieren im Ausland zu gewinnen.
Zwei mögliche Modelle
„Wir wissen überhaupt nicht, wie es weitergeht. Niemand weiß das“, gesteht Nina Karidio, Erasmus-Koordinatorin des International Office in Münster. Dass es keinerlei Ersatz für das Programm geben wird, glaubt sie allerdings nicht. Vielmehr stünden die Modelle zweier Länder zur Auswahl, an denen die Verhandlungen sich orientieren können: Das von Norwegen und das der Schweiz. Norwegen zahlt fleißig in die Fördertöpfe und wird bei Erasmus daher behandelt wie ein ganz normales EU-Land. Die Schweiz nimmt am Programm offiziell zwar gar nicht Teil, finanziert aber analog die gleichen Mobilitäten. „Wenn wir Studierende in die Schweiz schicken, müssen die sich um das Stipendium kümmern“, sagt Karidio. „Das ist im Prinzip Erasmus, es darf aber nicht draufstehen.“ Ob das Vereinigte Königreich sich tatsächlich an einem dieser Modelle orientieren wird, ist laut der Erasmus-Koordinatorin allerdings noch vollkommen offen. Dafür seien die Verhandlungen noch nicht weit genug fortgeschritten. „Vielleicht erfindet man auch etwas ganz Neues.“
So weit, so gut
Offiziell gesichert wurden die Erasmus-Aufenthalte für das akademische Jahr 2017/18. Aber auch wer sich keinen Platz für diesen Zeitraum sichern konnte, darf weiter hoffen. „Ich gehe davon aus, dass es auch danach noch weitergeht, bis alles ausverhandelt ist“, sagt Karidio. Denn auch die britischen Universitäten selbst seien nicht sonderlich über die politische Entwicklung erfreut. „Unsere britischen Partner haben uns reihenweise signalisiert, dass sie weiter mit uns zusammenarbeiten wollen.“
Auf anderen Wegen
Generell ist das Vereinigte Königreich bei Erasmus-Interessierten aus Münster besonders beliebt. Anders als bei Frankreich oder Spanien konnten in der Vergangenheit längst nicht alle Bewerber mit einem Platz in England, Schottland, Wales oder Nordirland beglückt werden. Die Erklärung: „Großbritannien hat schon lange die Schotten dicht gemacht“, sagt Karidio. „Da für Erasmus-Studierende keine Studiengebühren erhoben werden, ist das für die Unis ein Verlustgeschäft.“ Aber das ist noch nicht alles. Wir mögen es kaum glauben, aber die Briten wollen nicht nach Münster. Oder generell ins fremdsprachige Ausland. So erweckt es zumindest den Anschein. Im Jahr 2016 schickte Münster 42 Studierende auf die Insel – hierher kamen allerdings nur zwölf Briten. Karidio meint: „Wenn das Verhältnis besser ausbalanciert wäre, würden die Unis auch mehr Leute aufnehmen.“
Das heißt aber auch: Wer zahlt, kommt rein. „Wenn man die Studiengebühren – die in Großbritannien oft sehr hoch sind – zahlt, kann man sich an jeder Uni einschreiben, auch als Austauschstudent“, erklärt die Erasmus-Koordinatorin. „Man kann in dem Fall bei uns ein Promos-Stipendium beantragen. Das ist dann aber eben nicht der Platz, sondern nur das Stipendium.“