Der Valentinstag
von Lina Probst
Es herrscht ein Ausnahmezustand. In den Kaufhäusern locken Sirenengesänge verlorene Seelen an. „Kauf mich, ich bin das perfekte Geschenk“, flüstern preislich reduzierte Konsumgüter in verschiedensten Erscheinungen. Ketten, versehen mit einer liegenden Acht, schreien die ewig währende Liebe zweier Menschen heraus. Rosen sind vergriffen und werden daher aus Übersee importiert. Kinobesitzer*innen reiben sich freudig die Hände, während sie die Reservierungen überprüfen – die Säle sind ausverkauft und die gleichen Menüs wie eh und je stehen bereit für den Verzehr. Für einen Euro mehr gibt es sogar eine Schokoladenpraline hinzu.
Und wohin man schaut sieht man nur rot, rot, rot. Der Tag kleidet sich heute edel in der Farbe der Liebe und wehe dem der deshalb ein griesgrämiges Gesicht zieht!
Du hast noch niemanden, mit dem du diese 24 Stunden verbringen kannst? Niemanden, dem du auf besondere Art und Weise deine Liebe erklären möchtest, etwas das nur am 14. Februar möglich ist? Dann nichts wie los, auf Tinder und anderen Plattformen warten sicherlich viele Akademiker*innen und Singles mit Niveau auf deine Nachricht. Eine mögliche Alternative: die eigenen WG-Mitbewohner*innen, besten Freund*innen, Verwandte oder sogar eine*n Fremde*n mit einer Kleinigkeit überraschen – feste Umarmungen zählen auch.
Liebe ist schließlich für alle da!
Später am Tag säumen turtelnde Pärchen die Stadt. Sie ziehen händchenhaltend durch die Straßen, auf dem Weg zum abendlichen Restaurantbesuch (in einem überquellenden Restaurant). Kellner*innen bemühen sich nicht großer Fragen, sondern präsentieren die Rechnung nach dem Essen ohne Umschweife dem Herrn des Tisches – heute sei Emanzipation einmal vergessen. Als es dunkel wird muss die Feuerwehr ausrücken, um herzchenförmige Teelichterbrände zu löschen. Eine einsame Rose, die das vergessene Geschenk nicht zu kompensieren vermochte, treibt verloren im Aasee. Es liegt Romantik in der Luft.