Ein ausbeuterisches, unterdrückendes Regime, das seine eigene Macht als höchstes Gut betrachtet und darauf aus ist, sich auszudehnen und immer mehr Systeme, auch unter Einfluss von Gewalt, zu übernehmen. Was zunächst an ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte erinnert, beschreibt in Wahrheit die Welt der Disney+-Serie Star Wars: Andor. Mit der Veröffentlichung der zweiten Staffel lohnt sich ein genauer Blick, denn diese Serie ist ein Meisterwerk – ganz unabhängig davon, ob man mit dem Star Wars-Universum vertraut ist oder nicht.
Es geht um Widerstand, eine Rebellion, einen Kampf gegen das faschistische System des Imperiums. Im Mittelpunkt steht der Rebell Cassian Andor, der Mitglied einer Bewegung ist, die alles dafür opfern würde, um für Freiheit und Gerechtigkeit zu sorgen. Auf der Gegenseite: das Imperium, das mit allen Mitteln die Vorstellungen von Sicherheit und Ordnung des Imperators umsetzen will. Und dennoch bleibt Andor nicht bei einer Gut-Böse-Erzählung, sondern geht auf die Beweggründe jeder Figur ein, sodass man diese nachvollziehen kann, selbst wenn sie in den Diensten des Imperiums stehen.
Beim Schauen der Serie werden schnell Parallelen zu deutscher, aber auch französischer Geschichte deutlich: Systemkritisches Gedankengut, kleine Aufstände, Zusammenschlüsse, Rebellion. All das umgesetzt, sodass dem Zuschauer der Atem stockt und er das Imperium als realen Gegner ansieht. Eine beeindruckende Rede der Senatorin Mon Mothma gegen den Imperator, die perfide Manipulation einer Stadtbevölkerung durch das Imperium zur Durchsetzung von Kontrolle und der bedrückende Alltag in einem imperialen Gefängnis.
Man taucht in eine Welt ein, die so echt wirkt, dass man beim Schauen fast vergessen könnte, dass es sich um Fiktion handelt. Gleichzeitig regt die Serie auch zum Nachdenken an und zeigt dem Zuschauer, wie sich Hoffnungslosigkeit, Angst aber auch Mut in einem autokratischen System anfühlt.
Gerade in der heutigen Zeit, in der immer mehr Länder nur noch ihr eigenes Ding durchziehen, die politischen Ränder stärker werden und die Erinnerungskultur unter Druck gerät, ist es vonnöten, sich mit Politik auseinanderzusetzen, eine Meinung zu haben und den Mut, diese auch zu äußern. Star Wars: Andor kommt zur perfekten Zeit, um genau diese Denkanstöße zu schaffen. Die Serie und gerade die zweite Staffel verdeutlicht, wie schnell man mit Macht die Wahrheit verdrehen kann, welches Gut es ist, in einer Demokratie zu leben und wie sensibel diese sein kann.
Sie zeigt aber auch, dass es mehr gibt, als zwischen Gut und Böse, Rebellion und Imperium, Heller und Dunkler Seite zu unterscheiden. Jede Figur kämpft ihren eigenen Kampf und ist konfrontiert mit Problemen, Widersprüchen und Dilemmata. Das macht die Serie greifbar und emotional zugänglich. Durch brillantes Storytelling, die kreative Kameraführung, das intensive Schauspiel und darüber hinaus die Magie der echten Sets wirkt die Serie echt – beängstigend echt in manchen Fällen – und lässt den Zuschauer nicht mehr los. Egal, wie viele Berührungspunkte man mit Star Wars hatte – diese Serie ist es wert, geschaut zu werden. Star Wars war schon lange nicht mehr so gefährlich, so relevant und so echt, was Andor, gerade jetzt, zu einem Meisterwerk macht.
von Matti Lacour