Der Film „Clock“ auf AppleTV zeigt, dass das Thema Kinderwunsch Horrorpotenzial birgt
Horrorfilme handeln oft von einsamen Häusern, von Frauen, die allein zuhause sind, von
Jugendlichen und Ausflügen in Wälder. Spätestens seit „Shining“ sind Kinder gruselig geworden, Zwillinge natürlich besonders, aber auch alles andere ab dem Kindergartenalter, was freundlich lächelt und dann blutig tötet. Dass aber Babys einen ganzen Horrorfilm füllen können und noch dazu ungeborene, das ist neu und jetzt auf AppleTV zu sehen.
„Clock“ greift ein Thema auf, das in der öffentlichen Berichterstattung oft hinter dem unerfüllten Kinderwunsch verschwindet: der nicht existente Kinderwunsch, vor allem der weibliche. Die Hauptfigur Ella (Dianna Agron, „Glee“) hört sie alle, die erwartbaren Sätze: „Was machst du den ganzen Tag ohne Kinder?“, „Du weißt nicht, was dir entgeht“ und natürlich auch „Das kommt schon noch“. Die titelgebende tickende Uhr, die endlich dieses normalste aller Gefühle auslösen soll, sie setzt bei Ella einfach nicht ein. Bis – ja, bis sie von einer Ärztin (Melora Hardin, „The Office“) erfährt, die den nicht vorhandenen Kinderwunsch als hormonelle Störung versteht und so auch behandelt: durch Hormongabe, kombiniert mit einer Verhaltenstherapie. Und da „Clock“ kein Inga Lindström, sondern ein Horrorfilm ist, liegt Ella am Ende natürlich nicht überglücklich und verschwitzt mit Säugling im Wochenbett, sondern in einer Blutlache.
„Clock“ diskutiert die großen Fragen auf geniale Weise. Wie ernst werden weibliche Biographieentwürfe genommen, die nicht der Norm entsprechen? Wie sehr werden Frauen immer noch infantilisiert durch die, die wissen, was das weibliche Geschlecht wollen sollte? Und gibt es nur das eine große Babyglück? Ella kocht Bolognese ohne Zeitdruck, schwimmt morgens in ihrem warmen, beleuchteten Pool und hat eine traumhafte Ehe. Für ihre Außenwelt aber ist sie vor allem eins: defizitär, da ohne Kind. „Clock“ zeigt, wie eng Weiblichkeit und Ehe noch immer mit Kinderwunsch verflochten sind und die Einsamkeit derer, die anders entscheiden. Und ist dazu noch wirklich, wirklich gruselig.
“Clock” (2023), zu sehen auf Apple TV, 91 Minuten
