Hoch lebe das Lebkuchenhaus!

Vermutlich jede:r kann sich an wahlweise verregnete oder verschneite Adventstage erinnern, an denen es quasi gar keine andere Möglichkeit gab, als sich mit Freund:innen, Geschwistern, Eltern oder Kindern in die Küche zu stellen und zu hoffen, dass man noch genug Zutaten auftreiben kann, um irgendetwas Keksartiges zu fabrizieren.

Kaum etwas verbinde ich so sehr mit der Vorweihnachtszeit, wie in der Küche verbrachte Nachmittage mit dem Duft von Zimt in der Nase, Mehl an den Händen und so viel Teig im Bauch, dass einem natürlich – trotz aller Vorwarnungen – ein klitzekleines bisschen schlecht ist.

Heute kann man im Supermarkt fertigen Plätzchenteig und sogar Bausätze für Lebkuchenhäuser kaufen. Während ich Ersteres einfach nicht verstehen kann (bei aller Liebe für Backunerfahrene, einen Plätzchenteig kann jede:r schaffen), musste ich bei Letzterem schmunzeln. Von Kinderfotos meines Vaters weiß ich, dass Lebkuchenhäuserbacken nicht erst seit heute Familientradition ist. Irgendwo zwischen seiner Pubertät und der seiner Geschwister ist die allerdings verschwunden – bis plötzlich eine blonde Zuckerschnute in seiner eigenen Küche stand.

Das Projekt Lebkuchenhaus

Die Bilder könnten alle aus demselben Jahr stammen. Wären da nicht die unterschiedlichen Haarschnitte.

Es kam wie es kommen musste und in irgendeiner Vorweihnachtszeit stand das Projekt Lebkuchenhaus auf der Tagesordnung. Projekt mag übertrieben klingen, ist aber nicht unangemessen. Ein Lebkuchenhaus ist kein Zimtstern oder Ausstecherplätzchen. Ein Lebkuchenhaus erfordert ein von Oma auf einer Müslikartonrückseite mit Füller handgeschriebenes Rezept, Zutaten mit so aufregenden Namen wie „Hirschhornsalz“ und „Pottasche“ und einen klug ausgetüftelten, mit Geodreieck vermessenen Bauplan. Damit ausgestattet sollte ja eigentlich nichts schiefgehen können.
Tatsächlich kam der Teig weder verbrannt noch zu weich aus dem Ofen und auch bei den Abmessungen hatten wir (vermutlich eher die Eltern meiner Freundin und mir) richtiggelegen. Nun mussten die verschiedenen Platten nur noch zusammengeklebt werden. Es hätte wohl niemand vermutet, dass sich ausgerecht das als ein Problem herausstellen würde, nachdem doch die vermeintlich viel größeren Herausforderungen wie der Teig gestemmt waren.

Das Stelldichein von Fön und Zuckerguss

Als ein so großes Problem, dass nach dem x-ten Lebkuchenhauseinsturz meine Mutter die Küche verließ und mit Fön zurückkam, um dem Eigenleben des Zuckergusses den Garaus zu machen, damit das Haus endlich stehen konnte. Nach dem Kampf mit dem Haus waren die Eltern erschöpft, wir Kinder waren glücklich. Wider Erwarten wurde das Projekt auch in den folgenden Jahren immer wieder wiederholt. Trotz kleinerer Unglücke (man stelle sich vor: ein Kind, zwei gleichfarbige Becher, einer zum Ausstechen, einer mit Apfelschorle – der Rest ist selbsterklärend) und größerer Katastrophen (auf das Jahr, in dem eine halbe Schüssel Teig vom Kindermund an die Fensterscheibe wanderte, und die Kinder danach unbekümmert weiter verziert haben, möchte ich jetzt nicht näher eingehen) gab es jedes Jahr aufs Neue einen Adventssonntag, an dem ich nichts Anderes als Lebkuchenteig und Zuckerguss gegessen habe.

Es steht! Uns sieht man die Anstrengung, die es bis dahin gebraucht hat, auch nicht mal an.

Doch auch ich bin nicht für immer die kleine Zuckerschnute geblieben, für die mein Vater damals Pottasche und Hirschhornsalz besorgt hatte, und irgendwann habe ich mein vorerst letztes Lebkuchenhaus gebacken. Vorerst. Irgendwann flitzt vielleicht auch eine kleine Zuckerschnute durch meine Küche.

Vorvorgestern ist bei mir übrigens ein Paket angekommen. Ein Lebkuchenhausbausatz.
Und einer unserer Redakteure hat sich – trotz meiner Katastrophengeschichten – auch an das Projekt Lebkuchenhaus gewagt. Mehr dazu aber später.

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