„Kuhhandel mit der Kirche“

AStA-Vorsitzender Friedrich Bach im SSP-Interview. (Foto: AStA)
AStA-Vorsitzender Friedrich Bach im SSP-Interview. (Foto: AStA)

Es geht um Geld. Um sehr viel Geld, das aus Münster abgezogen und ans Bundesland Nordrhein-Westfalen und an die Kirche verteilt werden soll. Wir sprechen von mehreren hundert Millionen Euro. Das Geld stammt vom Jesuitenorden, der im 18. Jahrhundert vom Papst Clemens XIV. verboten wurde. Die rot-grüne Landesregierung wollte die Auflösung des Studienfonds offenbar mit Unterstützung der CDU im Eiltempo noch kurz vor Weihnachten beschliessen, wurde aber von den Piraten gebremst, so dass eine weitere Lesung im Landtag erforderlich wurde. Während beim Hochschulzukunftsgesetz ein langer Dialog mit den Studierendenvertretern weiter anhält, wurden diese beim Münsteraner Studienfonds offenbar überrumpelt. Den meisten HochschulpolitikerInnen in Münster war dieser gar nicht bekannt. Wir befragten den AStA-Vorsitzenden Friedrich Bach zur Problematik und was sie hierzu unternehmen werden.

Unter Mitarbeit von Stephanie Sczpanek

SSP: Das Land NRW schätzt den Wert des Fonds auf 320 Millonen Euro. Glaubt ihr der Wert ist zutreffend oder was ist eure Einschätzung?

AStA-Vorsitz: Es standen immer Zahlen im Raum von 50 – 800 Millionen. Über die genaue Summe scheint keiner genau Bescheid zu wissen und ich glaube man lässt sich da auch nicht so gerne in die Karten schauen. Zur Klärung des genauen Wertes des Fonds wurde ein Gutachten angefertigt, das aber den Wert der Gebäude nicht mit einbezieht. Sondern es wurde nur der Grundstückwert beachtet. Wieviel Geld sich genau in dem Fonds befindet, wird nicht bekannt gegeben, aber eigentlich ließe sich das genau zählen. Jedoch muss auch beachtet werden, dass die einzelnen Grundstückswerte und die der Häuser natürlich marktabhängig sind. Und ich glaube so wie der Markt in Münster sich zur Zeit entwickelt ist, sogar davon auszugehen ist, dass es sich um einen noch höheren Wert handelt.

SSP: Es geht um riesige Beträge; ein Vielfaches der Summe, die die verfasste Studierendenschaft zur Verfügung hat. Was wird denn aktuell aus dem Münsterschen Studienfonds finanziert und wer entscheidet über die Vergabe der Gelder?

AStA-Vorsitz: Das ist ein Fonds der dafür da ist, sich selber zu erhalten und funktioniert ähnlich wie eine Stiftung. Zu Beginn wurde er als Stiftungsfonds, zur Gründung der Universität im Jahr 1780, angelegt. Natürlich hat sich der Wert im Laufe der Jahrzehnte weit gesteigert. Wie jedoch die genaue Vergabepraxis  aussieht und welche Gelder genau entnommen wurden, wie sie letztendlich verwendet worden sind und wer über die Verwendung entscheidet,  weiß ich nicht so genau. Ich denke, dass bisher die Universität über die Verwendung und Anwendung der Gelder  entschieden hat und das Land wird dem dann wahrscheinlich formlos zugestimmt haben, aber das sind nur Vermutungen. Allerdings wurde in letzter Zeit dem Fonds durchaus Geld entnommen um sich auf den doppelten Abiturjahrgang vorzubereiten.

SSP: Die NRW Landesregierung will nun den Studienfonds auflösen und das Geld an Land und Kirche verteilen. Seht ihr das auch als “Enteignung”, wie es unsere Rektorin, Frau Nelles, zuletzt bezeichnete?

AStA-Vorsitz: Die Vorgänge muss man vielleicht ein bisschen differenzierter betrachten: Ich habe gesagt, dass der Fonds 1780 gegründet wurde, also vor der französischen Revolution und der Säkularisierung. Ursprünglich war es kirchliches Geld gewesen, aber im laufe der letzten 230 Jahren hat sich geschichtlich gesehen viel geändert. Dieser Fonds hat den ersten und zweiten Weltkrieg überlebt und die Säkularisierung. Und ich denke, dass das Geld, hätte es diesen Fonds heutzutage gegeben, niemals in Händen der Kirche wäre. Das heißt, dass der Fonds als Zweck die Förderung der Bildung an der Universität hat. Vielleicht liegen die Beweggründe des Landes für die Auflösung des Fonds in der Sanierung ihres Haushaltes oder genauer in dem Stopfen ihrer Haushaltslöcher, aber andererseits kann es auch sein, dass die Landesregierung das Geld komplett in die Bildung investieren möchte. Ich weiß nicht, wie die Förderung an anderen Unis genau aussieht. Vielleicht wäre dieser Umgang mit dem Fonds fairer für alle Unis in NRW, aber man darf nicht vergessen, dass die Uni Münster sich mit den vielen Gebäuden, die über die Stadt verteilt sind und deren größter Teil von Altbauten bestimmt wird, sich in einer speziellen Situation befindet. Unklar ist auch die Verteilung von Geldern für die baulichen Maßnahmen an anderen Universitäten. Und dann der Kuhhandel mit der Kirche: Nach derzeitigen Plänen sollen 40 % des Fonds an die Kirche ausgezahlt werden, das sehe ich auch ein bisschen als Enteignung an und kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Meiner Meinung nach hat die Kirche mit diesem Fonds nichts mehr zu tun.

SSP: Zurzeit sträubt sich die Hochschulrektorenkonferenz gegen das vom Land geplanten Hochschulzukunftsgesetz. Glaubt ihr es besteht da in politischer Hinsicht ein Zusammenhang zur “Enteignung” des Studienfonds hier in Münster?

AStA-Vorsitz: Das könnte man vielleicht vermuten, aber ich denke, die Geschichte mit dem Studienfond ist älter. Ich glaube nicht, dass das jetzt erst auf den Tisch gekommen ist, sondern dass es wahrscheinlich schon seit Jahrzehnten Gespräche gab, dieses Geld ins Land zu bringen. Bereits in anderen Bistümern, wie Paderborn o.ä., war eine Auflösung anderer Fonds auch in der Diskussion. Dort hat sich die Kirche aber dazu entschieden, diesen Fond nicht aufzulösen. Deshalb sehe ich nicht den direkten Zusammenhang. Dass jetzt beides gleichzeitig aufschlägt ist natürlich zumindest gegen das Rektorat ein doppelter Affront.

SSP: Wer verwaltet das Geld jetzt eigentlich?

AStA-Vorsitz: Verwalten müsste die Gelder das Land, weil das der Treuhändler ist. Das Bild, das Frau Nelles gezeichnet hat, scheint meiner Meinung nach zu stimmen.  Man kann es so sehen: Das ist halt Geld eines Mündels, das der “Erziehungsberechtigte” oder wie man es auch immer bezeichnen will, die Gelder betreut, damit sie nicht “verprasst” werden können, so hat Frau Nelles es dargestellt. Und so ist das wahrscheinlich auch. Das Land verwaltet das mit dem gerichteten Zweck. Aber das will es jetzt auflösen per Gesetz.

SSP: WWU-Rektorin Nelles droht im Falle der Fonds-Auflösung mit einer Klage. Kann sie damit Erfolg haben, wo das Geld rechtlich gesehen (laut Landesrechnungshof) ohnehin dem Land gehört?

AStA-Vorsitz: Ich glaube, diese rechtlichen Einschätzungen kann ich nicht unbedingt geben, aber was man schon rechtlich hinterfragen kann, wie es gerechtfertigt ist, dass die Kirche einen Teil des Fonds zugesprochen bekommt und ob man dagegen rechtlich vorgehen kann. Das ist eine Frage, die sich durchaus stellt.

SSP: Was ist die Meinung des AStAs zur geplanten Auflösung des Münsterschen Studienfonds?

AStA-Vorsitz: Ich denke mal, dass der AStA in dieser Hinsicht hinter der Universität steht. Zumindest, was ich schon angedeutet habe, mit der Immobilienproblematik in Münster und auch damit, dass die Universität wirklich viele Gebäude und viele Altlasten hat, die auch vom Land nicht wirklich renoviert werden. Das Schloss beispielsweise hat einglasige Fenster, die aus energietechnischen Gründen dringend  saniert werden müssten und das ist nur ein kleines Beispiel unter den vielen sanierungsbedürftigen Altbauten. Da kann viel getan werden, was aber derzeit noch nicht umgesetzt wird oder werden kann. An dieser Stelle wäre der Fonds gut aufgehoben  und ist damals zu einem Zweck gegründet wurden, der auf jeden Fall auf die Universität Münster hinweist. Wie bereits erwähnt konnte viel Gutes getan werden in Bezug auf die doppelten Abiturjahrgänge.

SSP: Also doch eine Enteignung?

AStA-Vorsitz: Was ich mir unter einer Enteignung vorstelle ist, dass das Land das Geld nimmt und Straßen baut. Wenn das Land das Geld nimmt und der Kirche gibt, das wäre auch eine Enteignung. An anderen Unis gibt es moderne Stiftungen mit einem Rat, der über die Verwendung des Geldes entscheidet. Aber der Studienfonds ist so alt, da gab es dieses Stiftungsmodell noch nicht. Deswegen wäre es eigentlich das Zweckmäßigste diesen Fonds in eine moderne Stiftung zu überführen, wo dann ein Stiftungsrat entscheidet, was mit dem Geld passiert.

SSP: Mit welchem Engagement kann der AStA darauf am besten Einfluss nehmen? Was habt ihr geplant?

AStA-Vorsitz: Wir haben zwar nichts geplant, aber ich denke, dass das Thema in der Stadt schon komisch aufgenommen wird. Es war ja auch in den Medien zu lesen, dass man die Sorge hat, dass das Land ungerechtfertigterweise Geld aus Münster abzieht; ich glaube das wird hier in der Stadt sehr negativ wahrgenommen. Gleichzeitig weiß ich auch nicht, wie das Bistum Münster es sich leisten kann, sich in der Weise gegen die Uni zu stellen. Es bleibt abzuwarten, was in der Zukunft noch passiert. Das Gesetz ist zwar auf dem Weg, aber die Universität möchte dagegen klagen und das werden wir beobachten und begleiten.

SSP: Verstehe ich dich richtig, dass der AStA bei Geld von bis zu 800 Millionen Euro, die speziell für die Förderung von Studierenden in Münster zur Verfügung gestellt wurden, erst mal abwarten möchte?

AStA-Vorsitz: Es handelt sich ja um einen Fonds, der immer wieder Geld generiert. Und wenn die Uni auch in Zukunft von diesem Geld einen großen Teil bekommt, ist ja alles gut. Aber wie es zur Zeit aussieht, müssen wir erst einmal abwarten. Aber bei dem erwähnten Wettbewerb zwischen den Unis hat die Uni Münster ja in NRW einen großen Vorteil mit diesem Fonds. Welche Aktionsformen genau wir in Angriff nehmen, müssen wir jetzt planen. Trotzdem müssen wir auch abwarten, was jetzt als nächstes im Landtag passiert.

 

Anmerkung der Redaktion: Während des Interviews war noch nicht klar, ob das AStA-Plenum eine Stellungnahme veröffentlicht. Kurz nach Führung des Interviews versandte der AStA eine Pressemitteilung, in der erstmals öffentlich Stellung bezogen und gefordert wird, dass der Fonds nicht aufgelöst, sondern in eine moderne Stiftung überführt werden solle.

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