Prossima fermata: Trento

Ein Auslandssemester in Italien assoziiert so mancher wohl mit Sonne, schönen historischen Städten und kulinarischen Köstlichkeiten. All dies gibt es in Trient, aber nicht nur. „Du gehst also nach Triest?“, wurde ich häufig vor meinem Aufenthalt gefragt. Nein, Trient oder Trento, wie die Stadt auf Italienisch bezeichnet wird. Und dort war es traumhaft.

La città – Die Stadt

Trento ist die Hauptstadt der Region Trentino-Südtirol in Norditalien und befindet sich somit mitten in den Alpen. Das Panorama ist einzigartig, denn die Stadt liegt im Flusstal der Etsch und ist gleich von mehreren Zweitausendern und einigen Bergseen umgeben. Ein direktes Nachbardorf der Stadt ist Sardagna auf 600 Metern Höhe, das mit einer Seilbahn in etwa fünf Minuten zu erreichen ist. Von der obigen Aussichtsplattform hat man einen herrlichen Ausblick auf das gesamte Tal, in dem sich Trento befindet. In unmittelbarer Umgebung sind außerdem die Städte Bozen und Verona sowie der Gardasee. Auch Venedig, Innsbruck, Mailand und Bologna sind gut zu erreichen.

Der historische Stadtkern Trentos entspricht genau den klischeehaften Vorstellungen einer kleinen, romantischen, italienischen Stadt. Die Gebäude stammen aus mehreren Epochen und zeichnen sich durch bunte malereibedeckte Fassaden, kleine Balkone, Säulen und den typischen hellen Stein aus. Früher oder später führen einen die verwinkelten Gassen zum Wahrzeichen und Mittelpunkt der Stadt, dem Dom mit dem berühmten Neptunbrunnen. Die Domglocke ist von 7 Uhr morgens bis 20 Uhr abends regelmäßig zu hören, was anfangs sehr gewöhnungsbedürftig ist. Rund um den Dom gibt es zahlreiche Cafés und Bars, in denen noch bis Ende Oktober der ein oder andere Apérol auch gerne schon mittags in der Sonne genossen wird. Einmal in der Woche findet ein Markt statt, auf dem nicht nur frische Lebensmittel, sondern auch Kleidung und Schuhe von guter Qualität günstig erworben werden können.   

Eine weitere Sehenswürdigkeit der Stadt ist das Castello del Buonconsiglio, ein Schloss in dem im 16. Jahrhundert das Konzil von Trient stattfand – der Ausgangspunkt der Gegenreformation. Auffallend in der ganzen Stadt sichtbar ist außerdem ein weißes Mausoleum, das sich auf dem 300 Meter hohen Doss Trento in unmittelbarer Fußläufigkeit des Stadtzentrums befindet. Erst in den letzten zehn Jahren wurde direkt am Fluss ein neues Stadtviertel gebaut, das durch seine moderne Architektur heraussticht. Dort befinden sich neben Wohnhäusern und Büros, Geschäfte, ein herrlicher großer Park, eine großzügige Bibliothek und das MUSE, das Museum für Wissenschaft, welches viele naturwissenschaftliche Themen beispielhaft an der Region erklärt und aufgrund seiner interaktiven Gestaltung alles andere als langweilig ist. Der Fluss selbst lädt zu langen Spaziergängen, Läufen und Fahrradtouren ein, denn der Weg ist gut ausgebaut und führt bis an den etwa 50 Kilometer entfernten Gardasee.

L`Università degli studi di Trento – Die Universität Trento

Die Universität Trento ist mit 16.000 Studenten im Verhältnis zu den 117.000 Einwohnern insgesamt recht groß und in Italien sehr angesehen. Daher stammen die Studenten aus den unterschiedlichsten Regionen Italiens und der Welt. Die meisten Fakultäten

Panorama und das italienische Leben.

befinden sich im Zentrum. So auch die Fakultät „Economia e Management“, der ich als Volkswirtschaftsstudentin angehörte. Viele Vorlesungen, gerade im Master, werden auf Englisch angeboten, was für mich ohne Italienischkenntnisse sehr wichtig war. Ansonsten wird in Trento allerdings nur Italienisch gesprochen, weshalb man schnell zumindest einige Grundvokabeln beherrschen sollte. Das geht nach eigener Erfahrung sehr zügig, besonders wenn man schon eine andere romanische Sprache spricht. In den Vorlesungen wurde sehr viel untereinander und mit den Professoren diskutiert und aktuelle Themen behandelt, was sehr spannend war. Gelernte Theorie wurde direkt praktisch angewandt und somit weiteres Interesse am Fach geweckt. Die Professoren hatten insgesamt eine eher lockere, italienische Mentalität, Meinungsänderungen, spontane Verschiebungen von Vorlesungen oder Verspätungen – auch zu Klausuren – waren keine Seltenheiten.

La mia vita a Trento – Mein Leben in Trento

Ich war von Anfang September 2017 bis Ende Januar 2018 in Trento und meine Zeit in der Stadt lässt sich in zwei Abschnitte teilen, was vor allem an den Temperaturen lag. Das Wetter ist dort hervorragend, es scheint überwiegend die Sonne. Wenn es regnet, ist die ganze Stadt vor Dunst und Nebel kaum zu sehen, aber das ist nur alle zwei bis drei Wochen für ein bis zwei Tage der Fall.

Gewohnt habe ich in einem Doppelzimmer, wie es für Italien üblich ist. Das war trotz jahrelanger WG-Erfahrung eine Herausforderung. Gleichwohl funktionierte es und schön war, dass ich so immer in direktem Kontakt zu Italienern stand. Meine Wohnung lag direkt im Zentrum und hatte den Vorteil eines Südbalkons, der bis Ende Oktober ständig von mir und meinen Freunden genutzt wurde. Die Sonne morgens hinter den Bergen aufgehen zu sehen, war für mich jedes Mal ein Genuss. Während dieser Zeit fand das Leben vor allem draußen statt. Wir tummelten uns in Cafés, trafen uns fast täglich zum Aperitivo – diese Tradition vor dem Abendessen wird von allen Trentinern gern gelebt und umfasst ein meist alkoholisches Getränk sowie ein paar Häppchen. Außerdem unternahmen wir Wanderungen auf den Monte Bondone (den Hausberg der Trentiner) und in den Dolomiten, fuhren an den Gardasee und machten Ausflüge in der Region. Dazu gehörte auch ein Wochenende in der Toskana, sowie Touren nach Bozen, Innsbruck und Verona. Es war eine wunderbare Zeit, in der ich richtig in das „Dolce vita“ der Italiener eintauchen konnte. Es war wärmer, die Uhren gingen ein wenig langsamer, das Gemüse schmeckte intensiver und alle waren entspannter als in Deutschland. Dank des freiwilligen Italienisch-Intensivkurs war es immer einfacher auch im täglichen Leben gut zurecht zu kommen.

Anfang November wurde es schlagartig kühler und schon viel früher als bei uns, nämlich Mitte November, wurde der Weihnachtsmarkt auf dem Piazza di Fiera eröffnet. Er gilt als der schönste Weihnachtsmarkt der Region, ist aber nicht zu vergleichen mit deutschen Pendants. Angeboten wurden vor allem Trentiner und Südtiroler Spezialitäten, wie Strauben, eine Art frittierter süßer Teig mit Schokoladensoße und Marmelade, Zelten, ein typisches Gebäck mit Nüssen und Rosinen und natürlich Brûlé, hier besser bekannt als Glühwein. Der Weihnachtsmarkt schloss täglich schon sehr früh gegen halb acht. Leider fand das Leben nun weniger als in den Monaten zuvor draußen statt. Daher nutzte ich die anfängliche Kälte, um noch nach Bologna, Mailand und Cinque Terre zu reisen. Letztere sind fünf kleine Dörfer an der Mittelmeerküste eine Stunde südlich von Genua, die für ihre bunt bemalten Häuser in Hanglage bekannt sind. Ende November waren es dort noch 25 Grad. Wunderbare Temperaturen zum wandern und flanieren. Auch Mailand als Modestadt ist sehr sehenswert – auch für Menschen ohne Modeaffinität. Die kalte Jahreszeit lud außerdem zu Winterwanderungen und natürlich zum Skifahren ein, da viele gute Skigebiete in einer Stunde mit dem Auto zu erreichen sind.

Le esperienze più belle – Meine schönsten Erlebnisse

Mein schönstes sportliches Erlebnis ist die Wanderung auf den Cima Palon des Monte Bondone. An einem sehr warmen Oktobertag fuhren wir mittags nach der Uni mit dem Bus hoch auf den Berg auf 1600 Metern Höhe. Der Gipfel liegt auf 2100 Metern und zu ihm führt ein kleiner Wanderweg am Rande einer roten Skipiste. Aufgrund der Hitze und der plötzlichen Höhe – Trento selbst liegt nicht sehr hoch auf 200 Metern –, war die Wanderung durchaus anstrengend, doch wir wurden am Ende mit einem grandiosen Blick auf die Stadt und bis nach Österreich belohnt.

Ebenfalls wunderschön war das Wochenende mit über 50 Erasmus-Studenten in der Toskana. Die Städte Siena, Florenz und Pisa waren allesamt auf ihre ganz eigene Art faszinierend und offenbarten mir noch einmal ein ganz anderes Italien. Florenz ist eine der schönsten Städte, die ich je besucht habe mit wunderschönen Bauten, engen Gassen, tollem Essen und einer ganz besonderen Stimmung. Auch Pisa hat viel mehr zu bieten als „nur“ den schiefen Turm und Siena ist aufgrund der rötlichen Farbe aller Häuser und der Lage auf mehreren Hügeln ebenfalls eine ganz besondere Stadt.

Da ultimo – Zu guter Letzt

Fünf Monate in Italien zu leben, war genauso, wie man es sich vorstellt und doch noch viel schöner. Dieses Land hat eine großartige Vielfalt an Kultur, Kulinarik und Landschaften. Das Paradies ist manchmal gar nicht so weit von Zuhause entfernt – steigt in den nächsten Zug gen Süden und entdeckt es selbst.

 

Dieser Text erschien in der Ausgabe 434 mit dem Titelthema „Nachhaltigkeit – Nervig oder Nerv der Zeit“.

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