Von Braunbären, heißen Quellen und Craft Beer

Einmal über den großen Teich, raus aus Europa und im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ forschen: Das war etwas, was ich schon seit Beginn meines Studiums einmal tun wollte. Ich habe mich für einen Aufenthalt in Boulder entschieden, welches im Bundesstaat Colorado – dem Herzen der Vereinigten Staaten von Amerika – liegt. Den Kontakt erhielt ich über einen Hochschulprofessor der Chemie, was die Kontaktaufnahme und Zusage schnell und einfach machte. Doch ab diesem Zeitpunkt war es mit der Einfachheit auch bereits vorbei; denn ein Forschungsaufenthalt in den USA bedarf einiger Vorbereitung.

Am Anfang steht ein Visumsprozess, der nur von amerikanischer Seite gestartet werden kann, durch ewige Formulare führt, das Portemonaie um einige Dollar erleichtert, mit einem Besuch im US-amerikanischen Generalkonsulat in Frankfurt endet und doch noch am Einreiseflughafen auf amerikanischem Boden abgewiesen werden kann.  Das Prozedere ist nicht unmöglich, setzt aber einige Ausdauer voraus. Dafür wird man im Falle von Colorado mit einer atemberaubenden Landschaft belohnt, aber dazu später mehr.

Noch im Visumsprozess buchte ich Hin- und Rückflug, da die Vorlage eines Rückflugtickets und das damit verbundenen Versprechen, das Land schnell wieder zu verlassen, die Visumsbewilligung etwas beschleunigen kann. Neben den großen Airlines wie Lufthansa, Air France oder British Airways fliegt auch Iceland Air täglich für einen guten Preis in ausgewählte Metropolen auf dem nordamerikanischen Kontinent. Witzigerweise funktioniert das Flugnetz nach einem Drehkreuzprinzip, bei dem sich die überall aus Europa ankommenden Iceland-Air-Maschinen auf dem Flughafen Keflavík in Island gleichzeitig treffen und alle Passagiere binnen anderthalb Stunden zwischen den Flugzeugen umsteigen, je nach dem, woher sie kommen und wohin sie weiterfliegen wollen. Kleiner Tipp am Rande: Ohne Aufpreis auf den Flug kann man einen bis zu siebentätigen Aufenthalt in Island dazwischenschieben. Ärgerlich für mich war, dass mir das vorher nicht aufgefallen ist – nächstes Mal vielleicht. 

Nach Flug, Immigrationsprozess und Busfahrt habe ich die ersten Tage zunächst in Denver verbracht. Ich dachte mir, etwas Großstadtfeeling würde nicht schaden, bevor ich in das 100000 Einwohner-starke Boulder fahre, das von einem Drittel Studenten bewohnt wird. Und so konnte ich meine ersten langsamen Schritte auf amerikanischem Boden machen. Langsam ist hierbei wörtlich zu nehmen. Da Boulder und auch Denver sich am östlichen Ende der Great Plains am Fuße der Rocky Mountains befinden, was heißt, dass sie knapp 1600 Meter über dem Meeresspiegel liegen, ist die Luft doch um einiges dünner als bei uns hier in Münster (60 m ü. NN.) und man keucht am Anfang bei jeder Erhebung.

(Foto: Joshua Fuchs)

Die Arbeitsgruppe an der University of Colorado hatte ich speziell wegen ihrer Forschung im Bereich der chemischen Atmosphärenanalytik gewählt, und auch das ganze „Institute for Arctic and Alpine Research“ beschäftigte sich mit anthropogenen Einflüssen auf das Klima. Ich persönlich versuchte, eine Methode zu etablieren, die es ermöglicht, flüchtige Kohlenwasserstoffe aus der Luft passiv­ – das heißt ohne externen Pumpen bzw. Strom – in einer kleinen Kartusche zu sammeln, um sie dann später im Labor zu analysieren und zu quantifizieren. Nebenher besuchte ich noch einen Kurs an der Universität, in dem Studenten eines PhD-Programms chemische Prozesse und Reaktionen der Atmosphäre kennenlernten, um mich selbst darin weiterzubilden, aber auch, um Unterschieden zu unseren heimischen Vorlesungen aufzudecken. Den mit Abstand größten Unterschied stellte die Notenfindung dar: Wo in den meisten Fällen an deutschen Universitäten die Modulabschlussnote nur durch eine Abschlussklausur ermittelt wird, setzt sich die Note in vielen Kursen an der University of Colorado eher wie eine Schulnote zusammen. Bewertet werden Anwesenheit, Zwischenprüfungen, Fragen, die währenden der Vorlesung durch den Dozenten gestellt und von den Studenten über einen eigens dafür angeschafften sogenannten Clicker (eine Art Fernbedienung, auf der sich Knöpfe mit Auswahlmöglichkeiten von A–E befinden) beantwortet werden.

Neben der Forschungsarbeit war meine Zeit in Boulder vorranging von zwei Dingen geprägt: der überwältigenden Schönheit der Natur und Craft Beer. Die USA im Allgemeinen und Colorado bzw. Boulder feiern ihre Craft-Beer-Kultur. Obgleich jeglicher Alkohol über 3,5 vol.-% in Colorado nur in von den Supermärkten separierten Liquor Stores erworben werden kann, findet man in diesen eine schier riesige Auswahl an Hopfengetränken aus heimischer Brauerei aber auch aus Übersee. Man findet stark gehopfte mit Lemonengras verfeinertes Pils, mit Milch versetztes Stout oder extrem saure IPAs. Und überraschenderweise fiel mein Augenmerk eines Abends auch auf die Flasche einer mir wohl bekannten Marke namens Pinkus, was dort für gute drei Dollar erworben werden konnte. Jedem Bierfreund kann ich diesen Staat nur empfehlen.

Mit einem deutschen Personalausweis hat man in den ausgewiesenen Stores auch überhaupt kein Problem sein Alter, man muss ja über 21 sein, nachzuweisen. Anstrengender gestaltete sich das, wenn man eine Kneipe betreten wollte. Gerade weil Boulder so viele, zum größten Teil noch unter 21-jährige Studenten aufweist, sind Barbesitzer besonders vorsichtig, wenn es um Nicht-Colorado-IDs geht. Findige Studenten versuchen nämlich immer wieder mit gefälschten augenscheinlich ausländischen Ausweisen diese Lokale zu betreten. Und nicht selten musste ich zusätzlich zum Personalausweis meinen Reisepass vorlegen. Besonders erstaunt hatten mich die Amerikaner, wenn es nach dem Arbeitstag zur Happy Hour in eine Kneipe gehen sollte und ein deutsches Brauhaus die erste Wahl war.

(Foto: Joshua Fuchs)

‚Wildlife‘ ist in Colorado allgegenwärtig. Da kann es durchaus vorkommen, dass man morgens auf dem Weg zur Arbeit mehreren Waschbären und Hirschen ausweichen muss – innerhalb der Stadt. Meine Begegnung mit einem jungen Schwarzbären auf einem meiner ersten Wandertouren werde ich auch nie mehr vergessen und konnte nur von den drei Bisons, die bei meinem Besuch des Yellowstone National Parks die Straße blockierten und dann langsam am Auto vorbei trotteten, getoppt werden.  Abgesehen davon stellt der Yellowstone einfach das Highlight meines Auslandsaufenthalts dar. Nach einer knapp zehnstündigen Reise durch das Menschen-verlassene Wyoming (500.000 Menschen auf zwei Drittel der Fläche Deutschlands) findet man sich zwischen Geysiren und Tieren und weiß einfach nicht, warum man mit dem Auto hier ist. Genießen darf man blubbernde Quellen in Schwefel-getränkten Feldern, die ziemlich stark nach faulem Ei stinken und Geysire, die mal geplant, oft ungeplant ausbrechen – gerade wenn man nicht hinschaut. Daneben sieht man eine unberührte Landschaft, die einen ins Staunen versetzt.

Als ich dann am Ende meines Aufenthalts kurz vor Weihnachten die Rückreise antreten musste, war ich schon etwas traurig, diesen schönen und beeindruckenden Ort verlassen zu müssten, auch wenn zu Hause Freundin und Familie nach fünf Monaten auf mich warteten. Ich kann jedem einen Abstecher nach Colorado wärmstens empfehlen. Für die Zukunft wünsche ich mir, noch einmal zurückzukehren und meine Freunde von diesem wunderschönen Landesteil begeistern zu können.

Wenn ihr auch Lust habt von euren Auslandserfahrungen zu berichten, schreibt einfach eine Mail an ssp@uni-muenster.de! 

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