Das Studierendenparlament (StuPa) der Universität Münster hat eine neue Satzung für die Verfasste Studierendenschaft verabschiedet und damit ungewöhnlich große Kritik ausgelöst. Selbst die Westfälischen Nachrichten griffen das Thema auf. Der stellvertretende AStA-Vorsitzende Matthias Wiech (Juso-HSG) trat von seinem Amt zurück. Hauptkritikpunkt ist die Abschaffung der Ausländischen Studierendevertretung (ASV) sowie des autonomen Behindertenreferates in ihren jetzigen Formen und insbesondere die Tatsache, dass die beiden Gremien kein Mitspracherecht hatten. Zum Teil hat das StuPa auf die Kritik reagiert und die Änderungen rückgängig gemacht.
Die neue Satzung war in den vergangenen Monaten vom Reformausschuss des StuPa erarbeitet worden. Zu verschiedenen Zeiten waren dem StuPa und anderen Gremien Entwürfe vorgelegt worden, die jedoch regelmäßig zurück in den Reformausschuss verwiesen wurden. Zuletzt hat auch der AStA an der Überarbeitung mitgewirkt.
Das StuPa hat den finalen Entwurf am 2. November 2015 mit den Stimmen von CampusGrün, Juso-HSG, RCDS und LHG angenommen. Harsche Kritik kam noch während der Sitzung von der Demokratischen Internationalen Liste (DIL), die sich überrascht zeigte über die Abschaffung der Urnenwahl für die ASV, die maßgeblich von dieser Liste gebildet wird. Weder die ASV noch das ebenfalls umstrukturierte Behindertenreferat waren in die Pläne involviert gewesen. In einem Facebook-Post sprach die DIL von einem „undemokratischen“ und „unsolidarischen“ Vorgang.
Auch das autonome Behindertenreferat, das künftig nicht mehr von den Behinderten und chronisch Kranken direkt gewählt werden soll, zeigte sich brüskiert. In einem offenen Brief an das StuPa nannte der amtierende Behindertenreferent Jürgen Niggemann die Satzungsänderung „nicht hinnehmbar“. Dass bei den benachteiligten Studierenden „die größte Interessengruppe der behinderten und chronisch kranken Menschen exkludiert wird, ist beschämend“, so Niggemann weiter. Er forderte die Rücknahme der entsprechenden Punkte der Satzungsänderung.
Unterstützung bekamen die Kritiker sowohl von der Uni-Rektorin Prof. Ursula Nelles als auch von der sonst als Satire-Gruppe bekannten LISTE. Die Fraktion stimmte im StuPa geschlossen gegen die Satzungsänderung und beantragte ein Sondervotum. Darin räumten die Parlamentarier der LISTE zwar ein, dass die alte Satzung „höchst überholungswürdig“ gewesen sei, kritisierten aber die Umstrukturierung von ASV und Behindertenreferat: „Die Abschaffung der ASV halten wir insbesondere vor dem aktuellen gesellschaftlichen Hintergrund von vielerorts aufflammender Ausländerfeindlichkeit und Rassismus für ein katastrophales Signal.“
Der AStA hat inzwischen zurückgerudert und das Gespräch mit der ASV und dem autonomen Behindertenreferat gesucht. Die AStA-tragenden Listen CampusGrün und Juso-HSG entschuldigten sich für die unzureichende Kommunikation mit den entsprechenden Gremien. In einer Stellungnahme schrieb Anna Hullermann, Fraktionskoordinatorin der Juso-HSG: „Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass diese Gruppen bei der sie betreffenden Neuregelung nicht angehört wurden und so über ihren Kopf weg entschieden wurde.“ Marius Kühne äußerte sich für CampusGrün in ähnlicher Weise: „Uns Grünen ist die Interessenvertretung benachteiligter Statusgruppen besonders wichtig. Die Tatsache, dass die Öffentlichkeit und die Betroffenen diesen Umstand anders wahrnehmen, hat uns aufs Höchste alarmiert.“ Auch der RCDS stimmte dem zu; man kritisiere die mangelnde Kommunikation und befürworte „den demokratischen Prozess mit allen Akteuren“, hieß es in einem Facebook-Post.
Als erstes Ergebnis der Gespräche wurden bereits in der folgenden StuPa-Sitzung am 16. November 2015 die Satzungsänderungen, die die ASV betreffen, rückgängig gemacht. Zugleich wurde dem Reformausschuss aufgetragen, eine Lösung für die Satzungsteile des Behindertenreferats zu finden.
Politische Verantwortung für das Desaster übernahm zwischenzeitlich der stellvertretende AStA-Vorsitzende Matthias Wiech (Juso-HSG), der dem öffentlichen Druck nachgab und von seinem Amt zurücktrat. Wiech bleibt aber zunächst kommissarisch im Amt. Dass dies bereits der vierte Rücktritt eines AStA-Referenten in dieser Legislatur ist (zusammen mit dem Finanzreferent Stefan Bracke sowie den Öffentlichkeitsreferentinnen Annika Fuchs und Lola Buschhoff), kritisierte die LHG. Der Rücktritt werfe „ein verheerendes Bild auf die Arbeit des AStA, dessen Handlungsfähigkeit angesichts der zahlreichen internen Krisenherde ernsthaft angezweifelt werden kann.“ Die LHG forderte auch die verbleibenden Mitglieder des AStA zum Rücktritt auf, scheiterte aber im StuPa mit einem Misstrauensantrag gegen den AStA-Vorsitzenden Cedric Döllefeld (CampusGrün).
Der Semesterspiegel wird in seiner Januar-Ausgabe das Thema noch einmal ausführlich aufgreifen und über die Details der neuen Satzung informieren sowie alle Beteiligten zu Wort kommen lassen.