Wahlspezial: Facebook-Protest gegen Hafenpläne der Stadt

Sonntagsspaziergang zum Briefkasten des Stadthauses 3. (Foto: Philipp Schulte)
Sonntagsspaziergang zum Briefkasten des Stadthauses 3. (Foto: Philipp Schulte)

Es geht um ein Gelände so groß wie ein ganzes Stadtviertel. Das Osmo-Grundstück erstreckt sich von der Hafenkante mit den riesigen Hallen bis zur Schillerstraße auf der gegenüber liegenden Seite. Zusammen genommen mit dem direkt angrenzenden Areal der alten Post am Hansaring handelt es sich um die größte Fläche, die in Münsters Innenstadt noch bebaut werden kann. Viele Menschen könnten hier wohnen, arbeiten, spielen, spazieren, Kunst schaffen, genießen und ausruhen. Die heutigen Pläne werden das Viertel für viele Jahrzehnte prägen, denn Gebäude reißt man nicht einfach wieder ab. Aber wer entscheidet nun, wie ein großer Teil des Hafens und damit ein zentrales Stück Münster künftig aussehen wird? Die Parteien im Stadtrat? Gar die Bürgerinnen und Bürger? Nein, dabei wäre es durchaus möglich gewesen!

Um demokratische Mitbestimmung bei der langfristigen Gestaltung des Stadtgebietes zu ermöglichen, haben Kommunen, immer wenn ein Grundstück verkauft werden soll, ein Vorkaufsrecht. Davon hätte die Stadt Gebrauch machen und das Gelände am Hafen mit einem Kredit finanzieren können. Es hätte ein Musterbeispiel demokratischer Stadtplanung werden können: Verwaltung und Rat diskutieren und planen gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern die künftige Nutzung, stellen dann einen entsprechenden Bebauungsplan auf und verkaufen anschließend die fertig beplanten lukrativen Grundstücke mit Gewinn. Aber es ist (wieder einmal?!) anders gekommen.

Die Stadt hat auf ihr Vorkaufsrecht verzichtet. Das Areal wurde von zwei Investoren gekauft: Investor Stroetmann betreibt sonst vor allem Edeka-Märkte, Herr Deilmann und Herr Kresing sind Architekten. Kasse wollen sie jetzt alle machen und los geht es mit dem vorderen Grundstück am Hansaring. Dieses gehört der Firma Stroetmann und soll für einen dieser hässlichen Riesensupermärkte mit entsprechend bemessenem Parkplatz herhalten, auf dem wegen der ebenfalls geplanten Tiefgarage nicht einmal Bäume stehen könnten. Ihren zurückliegenden Osmo-Teil zwischen Kanal und Schillerstraße wollen die Architekten zwar mit Wohnungen bebauen, doch für Durchschnittsverdiener werden die jetzt geplanten Appartements mit Privatsteg wohl kaum erschwinglich sein.

Und überhaupt, worüber wurde nicht alles diskutiert? Neben der Forderung nach bezahlbarem Wohnraum gab es so viele Ideen, wie sich das Viertel gestalten ließe: mit Grünflächen oder einem Skatepark, kleinen Gewerbeflächen oder einem Marktplatz? Alles Fehlanzeige! Es bleibt bei Parkplätzen, Luxuswohnungen und einem riesigen Supermarkt. Die Stadt kann zwar immer noch Vorgaben machen, aber sie muss stets befürchten, dass ein unzufriedener Investor dagegen klagt. Hätte die Stadt dagegen ihr Vorkaufsrecht genutzt, hätte sie in Ruhe planen können und dann später an diejenigen verkaufen können, die bereit wären, Gebäude zu den demokratisch festgelegten Konditionen errichten.

Dafür ist es jetzt zu spät. Um dem Ganzen dennoch einen demokratischen Anstrich zu verleihen, womöglich auch unter dem Eindruck der Proteste gegen Stuttgart 21, wurde das „Hafenforum“ von der Mehrheit im Stadtrat als vermeintlicher Kompromiss zwischen Demokratie und Privatisierung gefeiert. Es war der halbherzige Versuch, die Bürgerinnen und Bürger nachträglich an der Entwicklung ihrer Stadt zu beteiligen. Trotzdem haben 400 Menschen von Herbst 2010 bis Mai 2011 am Hafenforum teilgenommen und sich eingebracht.

Das Ergebnis war damals schon enttäuschend: Die Wünsche der Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren mit den Geschäftsideen der Investoren nicht in Einklang zu bringen. Für die Stadtverwaltung stand die ganze Zeit fest: Einen Konflikt mit den Investoren darf es möglichst nicht geben. Weil die Stadt ihre Gestaltungsrechte nicht genutzt hat, kam es dazu, dass nun eine Handvoll Privatpersonen, die eben ihre (insofern durchaus legitimen) Gewinninteressen verfolgen, maßgeblich entscheiden, wie ein ganzes Viertel im Herzen Münsters für die nächsten Jahrzehnte auszusehen hat. Die Situation ist grotesk!

Die Facebook-Kampagne „Haie am Hafen“ richtet sich gegen dieses undemokratische Verfahren. Die Idee für die Aktion entstand Anfang März in einer WG im Hansaviertel. Mit der Auslage des „vorhabenbezogenen Bebauungsplans“ für das Edeka-Center hatte das bürokratische Planungsverfahren ein neues Stadium erreicht. Für einen Monat konnten Münsters Bürgerinnen und Bürger nun schriftliche Stellungnahmen zu den Planungen an das Bauamt richten.

Über „Haie am Hafen“ wurde die Nachbarschaft über die Möglichkeit der Stellungnahme informiert und mit Musterschreiben versorgt, die sie nach Belieben verändern und ergänzen konnten. Der Protest im Netz stieß bei den Facebook-Nutzern auf große Zustimmung und fand innerhalb weniger Tage fast 3.000 Online-Unterstützer. Dabei sollte es aber nicht bleiben, denn am Ende stand ein munterer Sonntagsspaziergang von über 100 Nachbarn quer durch das Viertel zum Briefkasten des Bauamtes. Insgesamt sind dort 560 Stellungnahmen angekommen.

Entscheidend für die weitere Entwicklung des Hafens wird die Kommunalwahl sein; wohl erst danach wird mit neuen Mehrheitsverhältnissen endgültig über den Bau des Edeka-Marktes abgestimmt werden. Daneben verspricht ein Verkehrsgutachten Spannung, denn bislang ist nicht geklärt, ob der Hansaring dem zu erwartenden massiven Verkehrsaufkommen gewachsen ist. Die Blechlawine ist ein wichtiges Argument der Gegner des Vorhabens, sollten sie von den Sachverständigen bestätigt werden, besteht wieder Hoffnung: für einen Hafen für alle und nicht nur für den Profit von wenigen.

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