[Artikel und Grafik von Mandy Beck]
Seit 2011 trägt Münster den Titel „Fairtrade-Town“. Um diesen Titel zu erhalten, muss eine Stadt nachweislich fünf verschiedene Anforderungen erfüllen. Unter anderem muss ein Ratsbeschluss zur Unterstützung des fairen Handels verabschiedet sowie im Büro des Bürgermeisters fair gehandelter Kaffee serviert werden. Münster will sich in ein paar Jahren auf den Titel „Hauptstadt des Fairen Handels“ bewerben und so als kommunaler Vorreiter für globale Verantwortung agieren. Mit einer Bestandsaufnahme will die Steuerungsgruppe der Kampagne „Fairtrade-Town Münster“ deshalb herausfinden, ob Münsteraner problemlos an fair gehandelte Produkte kommen.
Ein Selbstversuch:
Der Märzmorgen beginnt mit einem Blick in den Kühlschrank. Am Abend zuvor hatte ich mir die Zeit genommen, um im Supermarkt Produkte zu finden, die fair gehandelt wurden. Produkte, die ich mir leisten konnte, die ich aber dennoch ohne schlechtem Gewissen der Umwelt und den Erzeugern gegenüber kaufen konnte. Die nächsten drei Tage lang wollte ich fair leben.
Bei dem Gedanken an Fairtrade, denke ich zunächst an Kaffee und Schokolade. Das bekannte Fairtrade-Siegel auf diesen Produkten suggeriert mir, dass die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Erzeuger durch meine Kaufentscheidung verbessert werden. Beim Durchforsten der Regale, taucht das Siegel auf den verschiedensten Produkten auf. Zum Beispiel auch auf Wein und Schnittblumen. Über 2300 Produkte sind mit dem Fairtrade-Siegel zertifiziert. Aber bedeutet „fair“ einkaufen wirklich, meine Kaufentscheidung von einem Siegel abhängig zu machen? Neben dem Fairtrade-Siegel gibt es eine Vielzahl von anderen Siegeln. Wenn ich meine Kaufentscheidung also nach einem Siegel richte, schließt sich die Frage an, nach welchem? Auf den Bananen finde ich zum Beispiel kein Fairtrade-Siegel, sondern ein Etikett auf dem ein grüner Frosch abgedruckt ist. Das Siegel der Rainforest Alliance. Ich denke: Nachhaltigkeit, Artenvielfalt, Umweltschutz. Ein Trugschluss? Ich stürze mich in den Dschungel von Zertifizierungen und Siegel. Mein grüner Frosch ist nach etwas Recherche gar nicht mehr so grün.
Ein Blick auf den Kassenbon. Während zwischen fairen und konventionellen Bananen kein großer Preissprung liegt, beträgt die Differenz bei anderen Obst- und Gemüsesorten bis zu einem Euro. Dann gibt es auch solche Lebensmittel, für die ich keine direkte faire Alternative finde. Die blieben im Regal stehen. Mir bleibt die Frage im Kopf, ob faire Produkte für mich als Studentin wirklich zu teuer sind, oder ob ich mich einfach an die zu günstigen üblichen Produktpreise gewöhnt hatte?
Kaffee vor Vorlesungsbeginn. Auf meine Frage, ob der Kaffee, der an der Uni angeboten wird, fair sei, folgt zunächst ein Schweigen seitens der Kassiererin. Auf der Homepage des Studierendenwerks finde ich jedoch die erhoffte Antwort: „In unseren Bistros setzen wir ausschließlich „goodorigin“-Kaffee ein. Mit dieser Maßnahme bieten wir unseren Gästen einen ökologischen Kaffeegenuss.” Eine weitere, für mich unbekannte, Zertifizierung. Das Versprechen „rückverfolgbar von der Tasse zum Erzeuger“ stimmt mich optimistisch.
Nach drei Tagen, ein Fazit: Ja Münster, in dir lässt es sich fair leben. Möglichkeiten zum fairen Konsum abseits der Supermärkte und der Universität gibt es auch in Form von Restaurants, Märkten und Cafés. Am Ende führt jedoch kein Weg daran vorbei, dass ich mich als Verbraucher über die Produkte informiere. Erklärungen und Siegelführer gibt es reichlich. Dort, wo ich als Verbraucher keine Transparenz erhalte, habe ich die Wahl, das Produkt im Regal stehen zu lassen oder zu hoffen, dass die verantwortlichen Unternehmen für faire und nachhaltige Bedingungen entlang ihrer Lieferkette einstehen.
Selbstversuch Ende.
Mit jeder Kaufentscheidung ein Stimmrecht
So wie mir ging es im März 14 Teams, die drei Wochen lang im Auftrag der Kampagne „Fairtrade-Town“ unterwegs waren. Bürogemeinschaften, Familien, Wohngemeinschaften und Schul-AGs untersuchten in den verschiedenen Stadtteilen, wie fair es sich in Münster leben lässt. Dabei sollte sich der Fairtrade-Gedanke bestenfalls in jeder Konsumentscheidung wiederfinden. Das bedeutet, dass auch non-food Produkte wie Spülmittel und Kleidung bestenfalls fair gehandelt sein sollten. Die Ergebnisse wurden dokumentiert und regelmäßig in den Westfälischen Nachrichten veröffentlicht.
Ein Fairtrade-Siegel alleine reiche nicht zum Weltverbessern, erklärt Frau Nibbenhagen, Geschäftsführerin der Christlichen Initiative Romero. Wünschenswert sei in dem Zusammenhang, dass die Teams ihre Kaufentscheidung unter Berücksichtigung von fairen, saisonalen und regionalen Gesichtspunkten treffen. Neben der Bestandsaufnahme durch die einzelnen Teams, diene die Aktion dazu, den Fairtrade-Gedanken in den Köpfen der Menschen zu festigen. Mit jeder Kaufentscheidung könnten wir als Verbraucher nämlich klarmachen, dass wir umwelt- und sozialgerechte Produkte haben wollen, erklärt Herr Radau, Vorstandsvorsitzende des SuperBioMarktes.
Verantwortlich für die Durchführung der Aktion sowie für die Koordination von weiteren Aktivitäten der Kampagne ist eine Steuerungsgruppe. In ihr finden sich neben den oben genannten Mitgliedern, Frau Nibbenhagen und Herrn Radau, unter anderem Vertreter des Einzelhandels, des Hotel- und Gaststättengewerbes und der Verwaltung. Leider ist ein Vertreter der Universität, wie in anderen „Fairtrade-Towns“ typisch, noch nicht mit an Bord.
Zeig mir ein Siegel, das nicht in der Kritik steht
Die ersten drei Einträge bei einer Google-Suche zu jedem Siegel sind zumeist negativ. Die Christliche Initiative Romero hat einen Wegweiser erstellt, der die verschiedenen Labels, Siegel und Logos nach dem Ampelprinzip auf Sozialverträglichkeit, Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit bewertet. Nur wenige Produktsiegel basieren auf einer rechtlichen Grundlage, wie etwa das EU-Bio-Siegel. Das führt de facto dazu sich jeder irgendein Qualitätsversprechen in der Form eines Siegels ausdenken kann. Wie viele Siegel es tatsächlich gibt, weiß folglich keiner. Ein weiteres Problem besteht darin, dass Siegel häufig nur Selbstverständlichkeiten ausdrücken und den Verbraucher so täuschen. Wie ist zum Beispiel die Aufschrift „aus kontrolliertem Anbau“ zu werten? Das würde ja bedeuten, dass Produkte auch aus „unkontrolliertem Anbau“ verkaufen werden dürften, was nur schwer vorstellbar ist.
Diese Kritikpunkte sollten jedoch den Aussagegehalt von Siegeln nicht automatisch schmälern, denn die meisten Siegel beruhen auf einem fairen Grundgedanken und erhalten so ihre Berechtigung. Ein Blick ins Label-Labyrinth lohnt sich also, denn wer will nicht durch seinen Konsum, faire Bedingungen für Mensch, Tier und Natur fördern?
Für mehr Informationen und Ergebnisse des Projektes:
FairtradeTown Münster, Christliche Initiative Romero.