Besetzung des F1

Selbstwirksamkeit und weiter?

Am Dienstag, den 02. Mai besetzten die Aktivist:innen der Gruppe “End Fossli Occupy Münster” den Hörsaal F1 im Fürstenberghaus. Vorher verkündete die Gruppe in einem offenen Brief an das Rektorat die Beweggründe für die Besetzung und sprach gleichzeitig eine Einladung zum konstruktiven Austausch aus.

Die Aktivist:innen haben sich große Mühe gegeben, an alle zu denken. Es gabt ein Awareness Team, das jeder Zeit ansprechbar gewesen wäre, falls es Schwierigkeiten, oder Übergriffe gegeben hätte. An der Besetzung beteiligte und Menschen, die einfach da sind, wurden regelmäßig mit Essen versorgt. Es wurden Vorträge gehalten, Filme gezeigt und Gespräche geführt. 

Der einzige Widerstand, der sich gegen die Besetzung regte, ist eine Gruppe Student:innen des RCDS. Die konservativen Studierenden verstanden sich auf Nachfrage dezidiert nicht als Gegendemonstration. Auch sein sie mit den Forderungen der Besetzer:innen einverstanden gewesen und befänden sie sogar für gut. Die Methode des Protests störte sie. Die Nachfrage, ob sie die Besetzung für undemokratisch hielten, verneinten sie, aber sie kratzte an der Sphäre des Undemokratischen. 

“Klimaschutz braucht kluge Köpfe,” stand auf ihrem Banner. Die Vertreter:innen des RCDS beklagten, dass die Besetzung die Ausbildung von Akademiker:innen behindern würde, die ihrerseits zur Lösung des Problems beitragen würden. Dass die Besetzung keine größeren Unannehmlichkeiten für die Lehre bedeutete, weil alle Veranstaltungen entweder in anderen Räumlichkeiten oder online stattfinden konnten, schien ihnen nicht bewusst gewesen zu sein.

Es scheint, als würde die öffentliche Wahrnehmung immer einen besonderen Anspruch an jene richten, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen. Nicht zuletzt deshalb haben die Besetzer:innen wohl deutlich gemacht, dass auf Vandalismus, so wie Alkohol und Drogenmissbrauch verzichtet werden soll.

Die Verhaltensstandards die sich die Aktivist:innen setzten, so wie ihr Bewusstsein für das Wohlbefinden aller beteiligten setzt sie deutlich von den Aktivist:innen der 68er Studentenbewegung ab, mit den “Klimaaktivist:innen” in den vergangenen Monaten häufig verglichen wurden. 

Aktivist:innen der letzten Generation werden als Totalitär beschimpft und RAF Vergleiche werden angestellt, obwohl sie, Jesus gleich, die andere Wange hinhalten, wenn ihnen körperliche Gewalt von Autofahrer:innen oder Polizist:innen angetan wird. Oft entschuldigen sie sich sogar für die Unannehmlichkeiten, die sie verursachen.

Den Einwand, die Erderwärmung schreite trotz weltweit weitestgehend unbesetzter Hörsäle ungebremst voran, ließen die Demonstrant:innen des RCDS unbeantwortet.

Am Donnerstag fand ein Gespräch mit dem Rektor statt. Etwa 100- 150 Studis hatten sich im F1 eingefunden, um an der Diskussion teilzunehmen. Die Aktivist:innen präsentierten ihre Forderungen: Klimaneutralität der Uni bis 2030, klimagerechte Lehre und mehr Mitbestimmung über die Lehre durch die Studis.

Hannes Wessels äußerte Verständnis für den Ärger der Studis, betonte aber wiederholt, dass bereits viel getan werde und vieles außerhalb seines Einflussbereiches liege.

Im Hinblick auf die klimagerechte Lehre machte Wessels deutlich, er halte Pflichtmodule, die das Thema Klima in den Kontexten der jeweiligen Fachbereiche behandeln und die Verknüpfungen der Disziplinen zu breiteren Gesellschaftlichen Phänomenen beleuchten, für nicht vereinbar mit der Freiheit der Lehre.

Er als Rektor könne das nicht bestimmen. Wenn die Gremien, die mit dem Erstellen der Inhalte betraut sind, entsprechende Inhalte nicht auf dem Schirm haben, solle man sich dort einbringen. Studis und der Mittelbau sind in diesen Gremien stets unterrepräsentiert und halten verhältnismäßig wenig Macht. Wessels hält allerdings an der Einschätzung fest, dass es Strukturen gebe, die ihren Einfluss ermöglichen. Wenn diese nicht genutzt werden, sei das kein Hinweis auf ihre strukturelle Unzulänglichkeit, sondern auf das mangelnde Engagement der Studis.

Die Umsetzung der Klimaneutralität der Uni bis 2030 hält er mit den Mitteln, die der Uni im Augenblick zur Verfügung stehen, für unmöglich.

Hört man dem Rektor zu, könnte man glauben, es gäbe in Wahrheit keinen Grund für Protest, denn es werde an allem gearbeitet und man denke Uni-intern an alles. Klimagerechtes Bauen liegt außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches und für die Lehrinhalte sind die Akreditierungsräte verantwortlich, in denen sich die Studis einbringen können.

Auf die Nachfrage nach einem Fazit der Diskussion antwortete mir Anton (Mitglied der Gruppe End Fossil: Occupy! Münster, welche die Besetzung organisiert hat), dass sich der Rektor, wie erwartet, keiner Säumigkeit bewusst sei und offensichtlich nicht bereit schien die Einflusskanäle der Studis zu verbreitern.

Die Veranstaltung hätte die Schaffung und Verstärkung des Bewusstseins für den Klimawandel zum Ziel gehabt und diesem Ziel sei man näher gekommen. Zwar ist Anton sich bewusst, dass die Besetzung den Unibetrieb nur minimal gestört hat, aber er wertet das nicht unbedingt als etwas Schlechtes und spricht vom Verhältnis zwischen nervig sein und Aufmerksamkeit erzeugen.

Auch die Frage danach, was klimagerechte Lehre konkret bedeutet, oder wer das im Zweifel beurteilen könne, sei insofern umstritten, dass es eben eine komplizierte Frage ist, die nur im breiteren Diskurs beantwortet werden könne. Die Gruppe will sich nicht zur Autorität erklären, was die Formulierung klarer Forderungen erschwert. Anton betonte den logistischen Aufwand der Aktion und zeigte sich zufrieden mit der Umsetzung. 

Er sagte, bei der Planung der Besetzung seien Strukturen entstanden, die weitere Aktionen in Zukunft leichter organisierbar machen würden. Auch sei angedacht, sich mit anderen, auch nicht studentischen Gruppen, zu vernetzen, um eine breitere Zielgruppe zu erreichen. Er hob auch das Gefühl der Selbstwirksamkeit hervor, das die Besetzer:innen bei ihrer Aktion empfanden.

Selbstwirksamkeit ist wohl eine wichtige Sache. Viele junge Menschen mögen sich beim Gedanken an die weitgehend ungebremst eintretende Klimakatastrophe machtlos fühlen. Sich mit anderen Menschen zusammen zu tun und zu beschließen, im unmittelbaren Umfeld aktiv zu werden, wirkt dem Gefühl der Machtlosigkeit entgegen, auch wenn konkret gar nicht viel passiert. 

Bei der Beurteilung dieser und ähnlicher Aktionen ist es wichtig zu bedenken, dass aller Anfang schwer ist. Die Occupy Gruppe in Münster ist sehr jung. Nach der Besetzung wird sich zeigen, ob sie ihre Ziele konkretisieren und vielleicht mit anderen Aktionsformen noch größeren Druck erzeugen können. 

Im Gespräch mit Wessler ist allerdings deutlich geworden, dass ohne Druck von außen kein drastischer Kurswechsel passieren wird. Wenn dem Druck, der mit friedlichen Protestformen ausgeübt wird, allerdings weiterhin nicht nachgegeben wird, werden womöglich radikalere Alternativen zur Unterstreichung des Handlungsbedarfs nötig. Vorausgesetzt die Aktivist:innen lassen sich nicht vom Zynismus der Entscheidungsträger:innen demoralisieren, die mit verständnisvollem Blick die Sorgen zur Kenntnis nehmen, jedoch überzeugt behaupten sie täten längst alles was in ihrer Macht stünde.

Autor: Viktor Susid

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