Die Alltagskrankheit eines jeden Studierenden

von Lina Probst

Meine To-Do-Liste… könnte auch schneller bearbeitet werden!

Erinnert ihr euch noch an die Waschmaschine? Nein? Dann habt ihr meine letzte Kolumne wohl nicht gelesen. Also für euch, die ihr nicht mit der gegenwärtigen Situation vertraut seid hier eine Zusammenfassung: Vor einigen  Monaten bin ich nach Münster gezogen. Vor etwa zwei Wochen haben meine WG-Mitbewohner und ich über Ebay-Kleinanzeigen eine Waschmaschine gekauft. Nun steht das luxuriöse Stück vereinsamt im Badezimmer und weiß nichts mit sich anzufangen. Ab und zu erntet sie einen mitleidigen Blick, oder jemand streicht abwesend über ihr eckiges Haupt. Auf der weißen Oberfläche liegt eine feine Staubdecke, bei der ich versucht bin, etwas hineinzuschreiben. So wie man Autofenster verziert, wenn sie zugeschneit wurden. Nur leider hat Staub rein gar nichts Vorweihnachtliches an sich.  

Zurück zur Waschmaschine. Das Einzige was es braucht, um ihrem sinnlosen Daher-Vegetieren ein Ende zu bereiten, ist ein Besuch im Baumarkt. Ein paar Kleinigkeiten besorgen und dann mithilfe eines YouTube Videos das Gerät anschließen. Wäre der Baumarkt doch nicht auf der anderen Seite der Stadt. Und wäre das Wetter nicht so unberechenbar – bei der grauen Wolkendecke könnte es schließlich jeden Moment anfangen zu regnen! Mir fallen spontan genug Gründe ein, um das Ganze weiter hinauszuzögern.

Auch in anderen Bereichen ist mein Alltag stellenweise von unerschöpflicher Lustlosigkeit durchzogen. Dass man die Müslischale morgens direkt abwaschen könnte, will mein müder Geist um 7:30 Uhr einfach nicht verstehen. Die Nachbereitung von diversen Vorlesungen erfolgt bei mir selten am gleichen Tag…okay, ich gebe es ja zu: nie. Von der Vorbereitung ganz zu schweigen. Weihnachtsgeschenke denke ich mir im November aus, um am 23. Dezember einen hektischen Einkaufsmarathon zu meistern. Und den Brief ans finnische Konsulat, mit der Bestätigung meiner zweiten Staatsangehörigkeit, hätte ich schon vor einem Jahr abschicken können. Wäre, hätte, würde, könnte.

Sich Stress ersparen, indem man Dinge sofort erledige? Diesem Mythos will ich keinen Glauben schenken. Schließlich hat sich in der Vergangenheit bewährt, dass Produktivität gerade zwei Nächte vor diversen Deadlines geradezu exponentiell steigt. Und davor hatte ich immerhin ein paar entspannte Nachmittage. Langsam beschleicht mich ein mulmiges Gefühl. Was, wenn ich krankhaft veranlagt bin? Was, wenn es sich bei meinem Verhalten nicht um eine harmlose Charaktereigenschaft handelt? Im Stillen fange ich an, meine Mitmenschen zu beobachten und zu analysieren. Es dauert nicht lange bis mir bewusst wird: Was auch immer mit mir los ist, wir haben es alle. Zum Glück weiß ich, wie man heutzutage den lästigen Arztbesuch vermeidet und trotzdem eine seriöse Diagnose erhält. Ich frage Google. Schon nach wenigen Klicks ist klar – ich war ernsthaft krankt!  Doch halt, ganz so schlimm kann es nicht sein, oder? Mein kritisches Bewusstsein schaltet sich wieder ein und dann finde ich das Wort, wonach ich gesucht habe: Prokrastination. Jeden Tag prokrastinieren wir Studierenden um die Wette, als ginge es um Leistungspunkte. Dabei ernten wir verständnislose Blicke von Dozenten, Eltern und dem eigenen schlechten Gewissen. Aber liebe Kritiker, seid unbesorgt! Wir sind nicht nur faul, unmotiviert und lustlos. Vielleicht wollen wir neben der Regelstudienzeit auch einfach ein bisschen Freizeit genießen.

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