Sie werden leuchten

Es ist richtiges Aprilwetter, als wir uns zum Interview in der Bohne treffen. Ich möchte ziemlich gerne über das Wetter meckern, aber Lukas und Jasmina von „we will kaleid“ wollen sich davon nicht wirklich richtig anstecken lassen. Vielleicht liegt ihre gute Laune auch am gerade fertiggestellten ersten Album „A Shape of Fading“.

Wie muss es gewesen sein, als die Griechen das erste Mal durch ein Kaleidoskop blickten? Was müssen sie gedacht haben? Ein Kaleidoskop ist ein Rohr, an dessen einem Ende sich locker zwischen einer Glasplatte eingelegte kleine, farbige Glasobjekte befinden. Das andere Ende des Kaleidoskops hat ein rundes Guckloch. Im Rohr selbst sind drei rechteckige Spiegelstreifen angebracht, die sich an ihren Längskanten berühren, sodass sich die Gegenstände mehrfach spiegeln und ein auf beiden Seiten gleich aussehendes buntes Muster entsteht, das sich, dreht man das Kaleidoskop, verändert. Aus dem Griechischen übersetzt, bedeutet Kaleidoskop „schöne Formen sehen.“

In eine neue Welt blickend
Nicht nur schöne Formen, sondern nichts weniger als die Verschmelzung von Musik, Licht und Raum ist das Konzept der Münsteraner Band „we will kaleid, weshalb sie auch am Kaleidoskop orientierend ihren Bandnamen wählten. „Wenn man in ein Kaleidoskop schaut, entstehen immer wieder neue Bilder“, sagt Jasmina. Und Lukas ergänzt: „Man guckt in ein Kaleidoskop und ist sofort in einer eigenen Welt. Genauso stellen wir uns auch unsere Musik vor. Die Leute sollen den Konzertraum betreten und erst nach einer Stunde diese Welt verlassen.“ Dabei verfolgen sie ein ganzheitliches Raum-Licht-Musik-Konzept. Das zeigt ihre Konzertreihe „A Shape of Fading“, die an außergewöhnlichen Orten stattfand. „Orte, an denen eigentlich keine Konzerte sind, die aber zu einzelnen Songs und unserer Musik insgesamt passen.“ So gab es Konzerte in einer Jurte, einem Eiskeller, einem Gewächshaus, einem Bergwerk und einem Wasserturm. Für die Konzertreihe programmierten sie speziell auf ihre Musik abgestimmtes Licht. Das gleiche Programm in einen anderen Kontext, jeweils an einem neuen Ort, zu setzen und zu schauen, was damit passiert, sei das Ziel der Reihe gewesen.

Sängerin Jasmina. (Foto: Christopher Kolbe)

Ofenknistern
Kennengelernt haben sich Jasmina und Lukas auf der Musikhochschule, wo sie Pop/Vocals und Pop/Schlagzeug studieren sowie zunächst gemeinsam in einer anderen Band spielten. Weil beide den ähnlichen Musikgeschmack und Willen zur Aufopferung besaßen, entschlossen sie sich, ein eigenes Projekt zu gründen. Ihre Musik beschreiben sie selbst als melancholischen Alternativ-Pop, bei dem Stimme und Schlagzeug durch elektronische Elemente ergänzt werden. „Interessant finden wir es immer, wenn sich unsere Musik zwischen Pop und experimenteller Musik bewegt“, erklärt Lukas. Mittlerweile gibt es die Band seit eineinhalb Jahren. Letztes Jahr im Herbst spielten sie ihre ersten Konzerte und Ende März veröffentlichen sie nun ihr erstes Album, das ebenfalls den Titel „A Shape of Fading“ trägt. Dafür haben die beiden sich unter anderem einige Tage in einer Hütte im Wald eingeschlossen, in der sie die gesamten Vocals des Albums aufgenommen haben. So versprechen sie mir, dass man den Ofen knistern hört, wenn man beim Album ganz genau hinhört. Das Motiv des Albums ist Verlust: „Etwas fassbar zu machen, das so nicht fassbar ist. Nämlich das Verschwinden von Menschen aus dem eigenen Leben und die Auseinandersetzung damit“, sagt Jasmina. Über ein Jahr haben Jasmina und Lukas am Album gebastelt, bis sie anfingen, es zu produzieren und nun selbstständig herausbringen. „Es ist verrückt, wie viel Zeit wir in das Album gesteckt haben“, erzählt Lukas. „Ein Album ist ab irgendeinem Punkt auch nur eine Momentaufnahme. Songs entwickeln sich immer. Auf diesem Album klingen wir nun so“, zeigt sich Lukas sichtlich zufrieden.
Das Album überzeugt durch einen Wechsel aus sphärischen und poppigen Momenten, die vor allem eine unheimliche musikalische Dichte entwickeln, einen harmonischen Sog, der einen beim Hören des Albums in die präsentierte Welt hineinzieht. Dadurch schaffen es „we will kaleid“ einen Sound zu kreieren, der sich dem Motiv des Verschwindens annähert; einem Gefühl Ausdruck zu verleihen, indem man selbst in die Musik eintauchen kann und so verschwindet. Die bezaubernde Stimme Jasminas, das mal treibende, mal bändigende Schlagzeug sowie die mystisch anmutenden elektronischen Elemente leiten durch diese Welt und lassen an die Band „Hundreds“ erinnern.

Lukas am Schlagzeug. (Foto: Christopher Kolbe)

Zukunftspläne
Für Jasmina und Lukas ist die Band zum Lebensmittelpunkt geworden, „weil es das ist, was wir am meisten machen und was uns am wichtigsten ist.“ Daher wollen sie so ernsthaft an der Band arbeiten, wie es geht, „damit es möglich ist, von unserer Musik leben zu können“, so Lukas. Einmal pro Woche treffen sie sich für einen Band-Tag. Das heißt: Handy aus, alles aus, nur Musik, aber auch alles andere, was die Band betreffe wie zum Beispiel die Tourplanung. Während der Produktion des Albums seien es aber auch schon Mal sechs Tage Band gewesen. Die Band könne sich mittlerweile selbst tragen. „Mittelfristig sei das Ziel, dass die Band auch uns trage“, erklärt Lukas lachend. „Das Wichtigste wird aber bleiben, Musik zu machen, hinter der wir stehen“, fasst Jasmina zusammen.
Ende März geht’s auf Tour, erzählen sie mir mit leuchtenden Gesichtern. Egal an welchem Ort, egal wohin es sie dreht. Ich bin mir sicher: „we will kaleid“ werden leuchten – mit Musik.

Vocals: Jasmina
Schlagzeug: Lukas
Facebook: fb.com/wewillkaleid
Kontakt: info@wewillkaleid
Homepage: wewillkaleid.com
Album: wewillkaleid.bandcamp.com

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