Tapas, Tinto & Flamenco

Granada, oder Grana, wie die Einheimischen sagen, liegt im südspanischen Andalusien zu Füßen der Sierra Nevada, dem höchsten Gebirge auf spanischem Festland. Hoch über der Stadt ragt die weltberühmte Alhambra in den Himmel. In den engen Gassen der Altstadt summt ein Gewühl von Straßenmusikanten, Hippies und Touristen. Die Stadt mit der größten Zahl an Erasmus-Studierenden in Europa war der perfekte Ort für mein Auslandssemester. 

Die Universität

Ähnlich wie in Münster gibt es an der Universidad de Granada keinen zentralen Campus. Stattdessen liegen die  Fakultäten über die Stadt verstreut. Die philosophische Fakultät, an der ich studiert habe, la facultad de filosofía y letras, befindet sich etwas außerhalb auf einem Berg. Der Ausblick aus der Bibliothek über die Stadt belohnt den täglichen Aufstieg zur Uni.   

Alle  Kurse, die ich mir in Münster anrechnen lassen konnte, wurden ausschließlich auf Spanisch angeboten. Die Andalusier haben zwar einen vergleichsweise “nur” schwachen Akzent, für mich war es dennoch, vor allem zu Beginn des Semesters, schwierig den Dozenten zu folgen. Mit der Zeit wurde das aber immer einfacher. Mittlerweile habe ich mir sogar selbst einige typisch andalusische Sprecharten angewöhnt

Da ich nur zwei Kurse belegt habe, hatte ich von Montag bis Donnerstag jeweils nur eine Vorlesung am Tag – ein Traum im Vergleich zu meinen sonst überfüllten Stundenplänen in Münster. Meine Kurse wurden von überraschend wenigen Erasmus-Studierenden besucht. Meistens waren wir nur eine handvoll Internationals, der Rest meiner Kommilitonen kam überwiegend aus der Umgebung Granadas. Die Dozenten und einheimischen Studierenden waren aber sehr aufgeschlossen und  verständnisvoll gegenüber unserem gebrochenen Spanisch. 

Erasmus

Der wohl schönste Teil meiner Erasmuserfahrung war es, so viele verschiedene Städte besuchen zu können. Mehrere Organisationen in Granada haben sich  auf Ausflüge und Fahrten für die zahlreichen internationalen Studierenden der Stadt spezialisiert. So konnte ich viele Reisen für wenig Geld unternehmen. Ein Highlight war die Stadt Córdoba mit ihrer Mezquita. Die ehemalige Moschee ist in ihren architektonischen Ausmaßen einfach nur überwältigend.

Neben dem vielen Reisen waren vor allem die Erasmusicians, eine  Gruppe von musikbegeisterten Erasmus-Studierenden, ein wichtiger Teil meines Lebens in Granada. Für gewöhnlich bin ich mit meinen Instrumenten, Klavier und Geige, eher in der klassischen Musik beheimatet, aber bei den Erasmusicians habe ich mich in einer Band am Keyboard versucht. Einmal im Monat hatten wir ein Konzert in einem lokalen Club, wofür wir uns vorher bei Chips und Bier zum Proben getroffen haben. Es war schön zu sehen, wie Musik auch bei sprachlichen Kommunikationsschwierigkeiten Menschen aus allen Teilen der Welt verbinden kann.

Blick über Granada

Die Stadt

Neben den zahlreichen Kirchen prägt vor allem die maurische Architektur mit ihren Bögen, Schnörkeln und bunten Fliesenmustern das Stadtbild Granadas. Von 711 bis 1492 herrschten die Mauren über Granada, was in der Architektur deutliche Spuren hinterlassen hat. Allem voran ist es die von den nasridischen Kalifen errichtete Alhambra, welche die maurische Baukunst repräsentiert. Das UNESCO-Weltkulturerbe ist das bekannteste Wahrzeichen der Stadt und war auch für mich als Geschichtsstudentin der ausschlaggebende Faktor nach Granada zu gehen.   

Vor allem im Sommer trifft man in Granada an jeder Ecke auf Straßenmusiker. Die Künstler sind dabei so grundverschieden, wie Musik nur sein kann. Trifft man an der Kathedrale noch auf ein klassisches Streichquartett, hört man auf der Plaza Nueva schon die Klänge einer Flamenco-Gitarre. Im ehemaligen arabischen Viertel der Stadt hat sich außerdem eine Art “Hippie-Enklave” entwickelt.Vor allem am späten Abend, kurz nach Sonnenuntergang, trifft man an Plätzen und Parks mit Blick auf die beleuchtete Alhambra daher nicht nur auf Musiker, sondern auch auf Jongleure, Feuerspucker und Co. 

Das Leben in Granada

Die wohl beliebteste Beschäftigung der Granadiner ist das Tapas-Essen. Diese kleinen Köstlichkeiten erhält man zwar in Tapasbars in ganz Spanien, aber nur in Granada ist es Tradition, dass man zu einem Getränk nach Wahl eine Tapa umsonst dazu bekommt.

So wirklich verliebt in Granada habe ich mich auf dem Mirador San Miguel Alto, dem höchsten Aussichtspunkt der Stadt. Nachdem man den Berg eine gute halbe Stunde lang hochkraxelt und völlig aus der Puste oben an der Kirche San Miguel ankommt, wird man mit einer unglaublichen Aussicht über ganz Granada belohnt. Häufig habe ich mich hier mit Freunden am späten Nachmittag getroffen, um gemeinsam zu musizieren und abends den Sonnenuntergang über den Bergen zu genießen. Vor allem in der Abenddämmerung hat dieser Ort etwas Magisches. Allein für diesen Ausblick werde ich mit Sicherheit noch einmal nach Granada zurückkehren.

Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des Semesterspiegels (#438). Weitere Inhalte findet ihr exklusiv nur im Heft (PDF).

 

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