Dieses Jahr kam es wie ein Schlag aus dem Nichts, plötzlich war es wieder da. Gerade noch erschien das städtische Kopfsteinpflaster gesäumt von buntem Blättermeer und die letzten Sonnenstrahlen ließen eine Erinnerung an die Zeit der vergangenen Sommermonate aufkommen. Doch fast noch sicherer als der alljährliche Umschwung von Herbst zu Winter, beglücken uns die Gesetze des Kapitals und der Werbeindustrie auch in diesem Jahr wieder mit dem allseits Bekannten: debil grinsende Leucht-Schneemänner, vertrocknetes Tannengrün in überhitzten Räumen, verbrannte Plätzchen und Menschen, die sich im Rausch überhitzten Billigweins fröhliche Dinge über sich erzählen – same procedure as every year.
Aber was soll diese autoritäre Geplärre, diese bornierte Konsum- und Kulturkritik? Das Zeitalter der Kritik ist vorbei – „Vorbei! Ein dummes Wort. Warum vorbei?“ (Goethe) – und die schnöde Klage über teure Geschenke, den bloßen Schein der hellen Lichter, die Umdeutung einer religiösen Tradition zur Bedürfnisbefriedigung einer Konsumgesellschaft ist, genauso wie die erwähnten Phänomene: alt bekannt. An wenigen Tagen im Jahr ist die Saturiertheit der bürgerlichen Harmonie so spürbar, wie in den Wochen, Tagen, Stunden vor der magic vingt-quatre (24). Selten fühlt sich die symbolische Ordnung unserer Gegenwart so beschädigt an.
Zu Weihnachten, Advent, der Geschenkhysterie ist alles gesagt, viel entgegnet und noch mehr dagegen versucht. Warum dem also noch etwas hinzufügen? Vielleicht sollten wir uns stattdessen auch einfach ganz kurz zurücklehnen und freuen. Zum Beispiel darüber, dass Manfred (56) den Mund zu voll mit Vanillekipferln hat, um sich über den grassierenden Genderterror zu beschweren und sich die Birne zu sehr mit Glühgedöns vollgedröhnt hat, um sich weiter eifrig Gedanken darüber zu machen, wie er Gabi vor Horden „alimentierter Messermänner und sonstiger Taugenichtse“ (Weidel) am Bahnhof in Castrop-Rauxel schützen soll. Die „rohe Bürgerlichkeit“ (Heitmeyer) ist für ein paar Tage in den Standby-Modus versetzt worden. In diesem Sinne: eine fröhliche Adventszeit!