Andreas Maier – Die Universität

Mit welchen Worten lässt sich der Zustand Mitte 20 beschreiben, verloren in der Zeit zwischen Jugend und Erwachsenenalter, zwischen dem Verlassen der Schule und drohender Erwerbsarbeit? „Ich, das ist der Mittelteil des Wortes Nichts.“ – diesen Satz stellt Andreas Maier seinem 2018 im Suhrkamp Verlag erschienenen Roman „Die Universität“ voran und damit ist schon viel über die Stimmung der nächsten Seiten gesagt.

Die Handlung lässt sich schnell erzählen: Frankfurter Goethe Uni in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Ein zerstreuter Student der Germanistik und Philosophie, dessen Stationen sich, von Reflexionen im Seminar über Besuche beim Psychologen bis zu seinen Erlebnissen bei der Pflege der vergreisten Philosophen-Witwe Gretel Adorno schmunzelnd mitverfolgen lassen. Viel durchgreifender als die Rahmenhandlung erscheint jedoch die Komik, die Maier dem studentischen Alltag entlockt, wie er es schafft jene uns allzu vertrauten Situationen ihre Selbstverständlichkeit zu entziehen und ins Grotesk-Komische zu wenden. Und dabei verhandelt er nicht nur autobiographische Erinnerungen an seine eigene Studienzeit, sondern berührt durch die Art des Erzählens auch immer wieder die Frage, was das eigentlich für ein Ort ist: die Universität.

Auch wenn man immer wieder meint, sich in der Perspektive des Protagonisten wiederzuerkennen, auch wenn einem Vieles immer wieder vertraut und absehbar erscheint, wird die vollkommene Übertragung auf die eigene Lebensrealität doch von Momenten des Zögerns unterbrochen: Die Apathie, Unsicherheit, der Zustand des richtungslosen Suchens und Sich-Treiben-Lassens bis zur völligen Aufgabe des eigenen Selbst: Ist uns das so noch gegenwärtig seit die Zwänge des Arbeitsmarktes und neoliberalen Imperative von Optimierung und Selbstverwirklichung auch in die Universität Einzug gehalten haben? Oder hat der Raum, um den die Erzählung kreist, eine so grundlegende Veränderung durchgemacht, dass die anfängliche Nähe sich als illusorisches Trugbild entpuppt?

All das bleibt offen, wird auch von Maier nicht beantwortet. Was bleibt also? Hannah Arendt bemerkte in einem Interview 1970 einmal: „Die Universitäten ermöglichen es jungen Menschen, eine Reihe von Jahren außerhalb aller gesellschaftlichen Gruppen und Verpflichtungen zu stehen, wirklich frei zu sein.“ Maiers Roman liest sich wie genau das: ein schonungsloses Portrait der Höhen und Tiefen, Grauzonen und Abgründe, Absurditäten und Alltäglichkeiten dieser studentischen Freiheit.

Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des Semesterspiegels (#438). Weitere Inhalte findet ihr exklusiv nur im Heft (PDF).

 

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