ich schreibe darüber, wie es ist, im 21. jahrhundert anfang zwanzig zu sein. wie es ist, sich zwischen krisen, tiktoks und kriegsausbrüchen eine zukunft vorzustellen. wir können alles sein, queer, polyamor, monogam, aber was wollen wir eigentlich? wir können so viel swipen, wie wir wollen, so viele menschen sind nur einen klick von unserem leben entfernt, haben tausend optionen. wir studieren, wir beschäftigen uns mit der welt, wir reisen viel, aber wie fühlen wir uns eigentlich dabei? darum geht es hier.
ich weiß nicht, warum wir in einer welt leben müssen, in der es so einfach ist wegzuschauen, in der es so schwer ist hinzuschauen. ich weiß nicht, warum wir immer noch in einer welt leben, in der kinder in den machtspielchen von regierungen verbluten. ich weiß nicht, wie wir das alles sehen können, in bildern, sogar videos, immer und jederzeit und wie wir trotzdem so tatenlos dabei zusehen können. wie wir ständig in unsere displays schauen können und uns so machtlos dabei fühlen. ich weiß nicht, wie wir ständig über westliche werte und internationale institutionen sprechen können, während gleichzeitig menschen daran sterben. wisst ihr, es sind nicht nur zahlen, es sind menschen, die sterben. es sind kleine brüder und große schwestern, mütter und väter, vielleicht ganze familien. manchmal ist es so schwer an diesen tagen auf der welt zu sein, so schwer das bett zu verlassen, so absurd einen alltag zu haben. es fühlt sich so melodramatisch an zu weinen, so zynisch sachlich auf das elend zu blicken. die instagram-stories von aktivist:innen zurren und zerren an uns, ich weiß, sie haben wahrscheinlich recht, aber die welt ist so kompliziert. so kompliziert und grausam.
an diesen tagen möchte ich meine nachrichten-podcasts pausieren und wohlfühl-musik anmachen. die push-benachrichtigungen ausmachen und aus dem küchenfenster schauen, nicht in die welt. ich möchte die knie an mein kinn ziehen und auf der fensterbank über der heizung sitzen. ich möchte heißen tee trinken und fünf minuten nichts fühlen. einfach nur sitzen, in meinem warmen, heilen und friedlichen zuhause und die welt hinter der verregneten scheibe toben lassen.
aber irgendwas müssen wir ja tun. das mindeste, was wir tun können ist, nicht wegzuschauen. die kinder im gaza-streifen und die familien in der ukraine können ihr handy auch nicht einfach abschalten und so tun als wäre die welt nicht gebrochen. das mindeste, was wir tun können, ist hinzusehen und zu fühlen.
es ist okay zu weinen, wenn kinder sterben. es ist okay zu weinen, wenn häuser brennen, wenn die welt ungerecht, grausam und hoffnungslos scheint. und es ist okay, nicht alles zu verstehen und nicht alles zu wissen. aber sich nicht zu verschließen und nicht abzustumpfen, das ist wichtig. es ist okay zu weinen, wütend und verzweifelt zu sein. weil alles zu fühlen, im 21. jahrhundert nicht mehr schwach ist, sondern so stark. in unseren emotionen liegt so viel potenzial. sie können nicht das einzige sein, was unser handeln leitet. aber in diesen tagen müssen wir unsere emotionen zulassen, weil wir es können. weil wir nicht nur überleben müssen, sondern das privileg dazu haben, zu fühlen.
und dann weiß ich immer noch nicht, warum wir in dieser welt leben. aber ich weiß, dass sie vielleicht nicht so bleiben muss, wie sie ist.