Vor nun mehr als einem Jahr begannen sie: die globalen Klimastreiks von Fridays For Future. Es scheint kaum möglich, dass es heute jemanden gibt, der noch nie von ihnen gehört hat. Von der Schwedin Greta Thunberg ins Leben gerufen, gingen daraufhin jeden Freitag weltweit tausende Menschen auf die Straße. Der erste große globale Klimastreik am 15. März 2019 zählte 1,8 Millionen Protestierende.
Doch im März 2020 kam das Corona-Virus auch nach Deutschland und die Fridays For Future-Bewegung verlor das, womit sie die Politik vermutlich am meisten unter Druck setzen konnte: leere Klassenräume, volle Innenstädte und tausende Demonstrierende. Es hieß ‚zuhause bleiben‘ – der Protest musste digitalisiert werden. Doch was heißt digital protestieren…? Wen kann man mit einem digitalen Protest erreichen?
Mit einem Post auf Instagram mit den Hashtags #ClimateStrikeOnline oder #StreikimNetz versuchten die Aktivist:innen, auf sich aufmerksam zu machen. Die Fridays-For-Future-Österreich veranstaltete an dem Tag des globalen Klimastreiks am 24. April eine Live-Danceparty, bei der Demonstrierende aus ganz Österreich zur gleichen Zeit zu den gleichen Liedern mittanzen konnten.
Doch was einen Protest, eine Demonstration so wirksam macht, ist, dass sie auffällt und unangenehm ist. Auch in Münster wurde an mehreren Freitagen des letzten Jahres die Innenstadt abgesperrt, der Verkehr wurde für mehrere Stunden lahmgelegt. Jede:r, der sich nun auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkaufen oder zum Arzt durch die Stadt bewegte, bekam unweigerlich mit, was da passierte. Sogar bis zum eigenen Frühstückstisch schallten die Stimmen der Protestierenden, die durch das eigene Viertel liefen.
Sind wir leiser, wenn wir digital protestieren? Werden durch einen digitalen Protest nicht nur die Menschen erreicht, die sich zu genau diesen Themen ohnehin schon informieren? Ein digitaler Protest ist weniger unangenehm. Er ist um einiges leichter zu ignorieren und nicht auf sich selbst zu beziehen. Mit einem Klick ist der Post dieser einen Bekannten, die sich für eine bessere Klimapolitik stark machen will, wieder aus den Augen – aus dem Sinn. Digitaler Protest bedeutet Webinare, Hashtags und YouTube-Videos, die man sich nicht anschauen muss. Etwas, das auf den Straßen passiert, kannst du nicht ignorieren. Das Handy kann man ausmachen.
Eine Bewegung, die von den Großen dieses Landes eher belächelt, teils väterlich gelobt, aber nie so wirklich ernst genommen wurde. Schüler:innen würden nur die Gelegenheit zum Schwänzen nutzen. Das Argument des Demonstrationsrechts stieß auf die im Grundgesetz festgelegte Schulpflicht. Ein Streitthema, bei dem es nicht um das eigentliche Problem und die Forderungen der Bewegung ging: Das 1,5°C-Ziel des Pariser Abkommens einzuhalten und bis 2030 aus der Kohle auszusteigen.
Dass die Politik in einer Krisensituation schnell und gezielt handeln kann, um den größtmöglichen Schaden zu vermeiden, hat sie während der Corona-Krise bereits bewiesen. Und Fridays For Future fordert nun dasselbe auch für die Klimakrise: #FightEveryCrisis. Auch von der Klimakrise wünschen sich die Anhänger:innen der Bewegung ähnliche Bereitschaft, Maßnahmen zu treffen, die auf lange Sicht Leben retten können. Sie fordern ein konsequentes Handeln der Politik. Das System muss der Krise angemessen und angepasst werden, das gilt laut Fridays For Future für jede Krise. Denn auch während einer globalen Pandemie pausiere der Klimawandel nicht. Ein weiterer Hitzesommer stehe uns bevor, der Ernteausfälle und Dürre auch in Deutschland mit sich bringen werde.
Doch nur weil der digitale Protest vielleicht leiser, mühseliger und noch frustrierender ist als der Protest auf der Straße, ist er dennoch unverzichtbar. Verstummen ist nie eine Lösung und nichts ist leiser, als das stille Weiterklicken von Instagram Storys auf dem eigenen Sofa. Auch wenn die Alternative vielleicht nicht ideal erscheinen mag, ist sie trotzdem nicht weniger wichtig.
Mittlerweile sind Proteste wieder möglich: Die Teilnehmer:innenzahlen sind begrenzt, Corona-Richtlinien müssen eingehalten werden. Unter anderem am 5. Juni haben wieder Anhänger:innen der Klimabewegung in zehn deutschen Städten für eine bessere Klimapolitik gestreikt. Ein bloßes Ignorieren der Bewegung wird wieder schwieriger.