Der Musik-Campus: Ein Jahrhundertprojekt

Ein Jahrhundertprojekt: Mit diesen Worten beschrieben Oberbürgermeister Markus Lewe und Unirektor Prof. Dr. Johannes Wessels bei einem Bürgergespräch Ende November 2019 ihr gemeinsames Projekt eines Musik-Campus’. Dahinter verbirgt sich eine Kooperation zwischen der Universität und der Stadt Münster, wie es sie noch nicht gegeben hat – genauer zwischen der Musikhochschule der WWU, dem Sinfonieorchester der Stadt Münster und der Westfälischen Schule für Musik. Für alle drei Einrichtungen soll ein gemeinsames Gebäude, ein Campus, gebaut werden. Ein Ort, der sich allein der Musik widmen soll.

Symbolbild

Mehr Platz für Musik

Ein solches Gebäude sei in Münster laut den Beteiligten längst überfällig. Die Musikhochschule platzt aus allen Nähten. Sie ist an drei Standorten in der gesamten Stadt verteilt und die Räumlichkeiten zum Üben reichen bei weitem nicht für alle Musikstudierende. Auch das Sinfonieorchester der Stadt Münster klagt über mangelnde Proberäume auf den Probebühnen des Stadttheaters, die der Akustik eines fast hundertköpfigen Orchesters nicht 􏰈gewachsen sind. Seit dem Zweiten Weltkrieg gibt es in Münster keinen Konzertsaal mehr, sodass das Sinfonieorchester seine Konzerte im Stadttheater gibt. Das ist jedoch nicht für die Konzerte eines professionellen Sinfonieorchesters ausgelegt. Die Westfälische Schule für Musik ist an der Himmelreichallee in einem ehemaligen Naturkundemuseum untergebracht. Das historische Gebäude entspricht ebenfalls nicht mehr den Anforderungen einer angemessenen musikalischen Ausbildung und bietet schon lange nicht mehr genügend räumliche Kapazitäten für die wachsenden Angebote der Schule. Es zeigt sich: Der Bedarf ist groß. Und das nicht nur bei der Musikhochschule. Aus diesem Grund beschlossen Unirektor Johannes Wessels, Oberbürgermeister Markus Lewe und die Leiterin der Westfälischen Schule für Musik, Friedrun Vollmer, sich zusammenzuschließen und einen gemeinsamen Neubau anzustreben.

Ein offenes Haus für die Akteure der Musik

2016 verständigten sich die Beteiligten erstmals auf eine Absichtserklärung an das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen zur Planung des Musik-Campus in Münster. Dieser soll ein Ort der Musik, der Wissenschaft und der Begegnung für alle Musik-Liebhaber:innen werden. Geplant sind drei Gebäude: Jeweils ein Gebäude für die Musikschule und die Musikhochschule und ein gemeinsam genutztes Hauptgebäude. Das Herzstück des Musik-Campus soll ein moderner Konzertsaal im Hauptgebäude mit 1200 Plätzen bilden, der so bisher in Münster fehlt. Er soll nicht nur für Konzerte, sondern auch für Konferenzen der WWU genutzt werden können. Durch diesen multifunktionalen Saal erhoffen 􏰃􏰆􏰬􏰍sich die Beteiligten nicht nur eine Aufwertung der Münsteraner Konzertlandschaft, sondern auch eine erhöhte internationale Sichtbarkeit der WWU als Forschungseinrichtung, die so größere Tagungen und Konferenzen durchführen könnte.

100 Jahre Musik in Münster

Warum hat man sich ausgerechnet jetzt dazu entschlossen, einen gemeinsamen Musik-Campus zu entwickeln? Es existieren bereits mehrere langjährige Kooperationen zwischen allen drei Einrichtungen. Studierende der Musikhochschule können während ihrer Praktika im Sinfonieorchester in den Berufsalltag der Profimusiker reinschnuppern und besonders talentierte Schüler:innen in der Jugendakademie der Musikhochschule unter professionellen Bedingungen gefördert werden. Viele Münsteraner Preisträger:innen von Wettbewerben, wie Jugend musiziert, kommen aus eben dieser erfolgreichen Kooperation. „Das heißt, es lohnt sich, sehr eng zusammenzuarbeiten und unterschiedliche Professionalisierungsstufen immer wieder in Kontakt zu bringen“, sagt Wessels. Ein gemeinsamer Musik-Campus soll diese Kooperation noch weiter intensivieren.

2019 feierten alle drei Einrichtungen ihr hundertjähriges Bestehen. Im Rahmen dieses gemeinsamen Jubiläums konnte das Projekt enorm an Fahrt gewinnen. In verschiedenen Projekten feierten Sinfonieorchester, Musikhochschule und Musikschule gemeinsam die Musik in Münster. Das sei eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe gewesen, wie er sie vorher noch nie erlebt habe, so Unirektor Wessels.

Die Hochschule und die Stadt „von übermorgen“

Die Vision der Beteiligten ist klar: Der Musik-Campus soll ein offenes Haus für die Akteure der Musik werden und ist mit Sicherheit ein bisher noch nicht da gewesener Vorschlag. „Hochschule und Stadt, beide stehen vor der großen strategischen Herausforderung, nicht an die Hochschule von morgen zu denken, auch nicht an die Stadt von morgen zu denken, sondern an die Hochschule von übermorgen, die Stadt von übermorgen“, so Oberbürgermeister Lewe. Er spricht dem Musik-Campus eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der Stadt zu, so sei die Musik „eine starke Säule im stadtstrategischen Zukunftsprozess“, die der Stadt durchaus auch einen Stempel verleihe. Auch beim Land NRW und in Berlin hat das Projekt mittlerweile Begeisterung ausgelöst. Aus Düsseldorf wurde bereits finanzielle Unterstützung versprochen. Die Kosten für den Musik-Campus werden bisher auf 200 Millionen Euro bemessen. Ein ambitioniertes Vorhaben also, das in Deutschland und auch darüber hinaus Bekanntheit erlangen soll. Es stellt sich nun die Frage, ob und wann das Projekt tatsächlich (baulich) umgesetzt wird.

Standortfrage

Insbesondere die Frage nach einem geeigneten Standort für einen solchen Bau sorgt für Diskussionen. Zur Debatte stehen momentan zwei Optionen: Der Hörsterplatz am Theater und die Hittorfstraße, wo bisher noch die alte Pharmazie vorzufinden ist. Der Hörsterplatz wird von vielen kritischen Stimmen für zu klein gehalten und der damit verbundene Wegfall des zentralen Parkplatzes in der Innenstadt bemängelt. Die Hittorfstraße dagegen bietet ausreichend Platz. Einziges Manko: Im Gegensatz zum Hörsterplatz befindet sich die Hittorfstraße nicht im Stadtzentrum. Hierauf erwidern Befürworter des Standorts am Coesfelder Kreuz jedoch, dass es eine optimale Busanbindung gäbe und das große Parkhaus neben der Mensa am Ring ausreichend Parkmöglichkeiten für Besucher:innen und Musiker:innen bieten würde. Auch Wessels spricht sich für den Standort Hittorfstraße aus und bemisst den Weg von seinem Büro im Schloss durch „Münsters schönste Sackgasse“, den Schlossgarten, bis zur Hittorfstraße auf gerade einmal fünf Minuten. Eine machbare Distanz also. 

Aktueller Stand und Kritik

Zurzeit arbeiten die Stadt und die WWU an der Ausarbeitung eines Funktions- und Nutzungskonzepts der geplanten Räume, damit die drei Institutionen abgestimmt unter einem Dach arbeiten können. Im Herbst letzten Jahres fiel der erste Beschluss des Stadtrats für den Bau eines Musik-Campus. Am 26. März diesen Jahres wollen Lewe und Wessels potentielle Investoren einladen. Voraussetzung für diesen Termin ist die Klärung der Standortfrage. Denkbarer Baubeginn für den Campus wäre 2023/24.  

Noch steht in den Sternen, ob das Projekt umgesetzt wird oder – wie schon andere Projekte in Münster – von den Münsteraner:innen selbst verhindert wird. Auch während des eingangs erwähnten Bürgergesprächs gab es nicht nur positive Meinungen zu dem geplanten Musik-Campus. Besonders Vertreter:innen der sogenannten „Freien Szene“ bemängelten, dass sie nicht stark genug in den Planungsprozess eingebunden würden. Auch Vertreter:innen verschiedener Bürgerinitiativen, die andere Ideen für Musikprojekte in Münster verfolgen, schienen nicht begeistert zu sein. Bereits 2008 scheiterte das Projekt einer Musikhalle auf dem damaligen Hindenburgplatz, heute Schlossplatz, aufgrund eines Bürgerentscheids, bei dem sich 70 Prozent gegen den Bau aussprachen. Zuvor hatte eine Bürgerinitiative, die sich gegen das Projekt stellte, mittels eines Bürgerbegehrens diesen Bürgerentscheid erzwungen. Es zeigt sich also, dass für die Realisierung eines solchen Projekts die Unterstützung der Münsteraner Bürger:innen unerlässlich ist.

Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des Semesterspiegels (#440). Weitere Inhalte findet ihr exklusiv nur im Heft (PDF).

 

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