Freiraum Secondhand

Nachhaltigkeit – aber wenn schon, dann richtig!

Wer schon einmal versucht hat, seinen Kleiderschrank auszumisten, kennt das Problem: Jedes Teil einzeln abzufotografieren und ins Internet zu stellen, ist teilweise ziemlich mühsam, klassische Second-Hand-Läden nehmen nicht alle Kleidungsstücke an, manches möchte man vielleicht auch lieber spenden als verkaufen – aber wohin eigentlich? Und was ist mit den Sachen, die man nicht mehr spenden kann? Müssen die sofort in die Tonne? Drei junge Münsteraner:innen haben versucht, eine „Allround-Lösung“ für dieses Dilemma zu finden – mit Erfolg. Entstanden ist Freiraum Secondhand, ein nachhaltiges Modeunternehmen mit Multi-Channel-Vertrieb.

Die drei Gründer:innen: Nikola, Bijan und Naddi.
Foto: Julia Löhning Fotografie

Die drei Gründer:innen Nikola, Bijan und Naddi lernten sich im Rahmen des Venture Clubs, einer studentischen Initiative für Unternehmensgründung, kennen. „Wir sind mit komplett unterschiedlichen Gedanken und Bedürfnissen zum Venture Club gegangen und haben uns dann dort als Team zusammengefunden. Am Thema Nachhaltigkeit waren wir alle interessiert, die konkrete Idee zu Freiraum Secondhand ist dann aber mehr oder weniger zufällig in der Mittagspause entstanden“, erzählt Nikola. Das war 2019. Heute, knapp zwei Jahre später, ist aus dem anfänglichen Impuls ein erfolgreiches Start-Up geworden. Nikola, Bijan und Naddi investieren pro Woche rund 60 Stunden in ihr Herzensprojekt, beschäftigen neun Mitarbeiter:innen und betreiben einen Pop-Up-Store am Roggenmarkt. Bis dahin war es ein langer, nicht immer einfacher Weg.

Nachdem das Trio die Kickstart Academy des Venture Clubs durchlaufen hatte, stießen sie mit ihrer Idee auf durchweg positives Feedback. Nikola und ihre Kollegen entschieden sich dazu, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen und gemeinsam alte Kleidung anzunehmen, die wiederum in drei Kategorien eingeteilt werden sollte: Verkaufen, spenden und recyceln. Anfang 2020 ging der deutschlandweite Online-Verkauf an den Start, es folgten ein Umzug in eigene Büroräume, eine Vergrößerung des Lagers sowie letztendlich auch der Übergang in den stationären Handel: Im Oktober 2020 konnte Freiraum Secondhand vorübergehend ein Ladenlokal in der Münsteraner Innenstadt beziehen, dass sich seitdem nicht nur bei trendbewussten Hipster-Studis, sondern auch bei der Altersgruppe 40+ großer Beliebtheit erfreut.

Alle Teile, die es nicht in die Regale oder den Online-Shop schaffen, werden anderweitig verwertet. Die Spenden verbleiben in Münster und gehen an das Haus der Wohnungslosenhilfe sowie an den Sozialdienst katholischer Frauen, aus Klamotten, die man nicht mehr tragen kann, stellt das Team neue Produkte wie Scrunchies oder Jutebeutel her. Das Sortieren der einzelnen Kleidungsstücke nimmt dabei die meiste Zeit in Anspruch, ist jedoch gleichzeitig auch das Kernstück des Modells. Mittlerweile können die Gründer:innen hier zum Glück auf die Hilfe fleißiger Hände zurückgreifen, die das überfüllte Lager Stück für Stück aufräumen und so dafür sorgen, dass viele einzigartige Teile auf die Verkaufsfläche gelangen. Wer ein Kleidungsstück abgegeben hat, erhält je nach Verkaufspreis zwischen 10 und 40 Prozent des Erlöses. Doch nicht nur durch die Kombination von Online- und Offline Verkauf unterscheidet sich Freiraum Secondhand von anderen Gebrauchtwarenläden. „Weil wir alles annehmen, können wir auch alles anbieten“, erklärt Nikola. Soll heißen: Die Auswahl ist nicht auf spezielle Stilrichtungen, Marken oder Geschlechter beschränkt. So hat jede:r, unabhängig von Alter, Budget oder persönlichem Kleidungsstil, die Chance, hier sein:ihr neues Lieblingsstück zu finden.

Freiraum Secondhand Pop-up-Store.
Foto: Julia Löhning Fotografie

Die weit verbreitete Faszination für Mode aus zweiter Hand führt Nikola neben dem wachsenden Bewusstsein für Nachhaltigkeit auch auf die Individualität des Shopping-Erlebnisses zurück. „In Second-Hand-Läden kann man einfach noch besser stöbern als in riesigen Kaufhäusern, in denen nur Mode von der Stange angeboten wird. Hier ist wirklich jedes Teil ein Einzelstück und man freut sich viel mehr, wenn man etwas entdeckt hat und für sich ‚erobern‘ kann. Dadurch haben solche Geschäfte einen ganz besonderen Flair.“ Wie wichtig ihnen diese Atmosphäre und der persönliche Kontakt zu den Kund:innen ist, haben auch die drei Gründer:innen erkannt. Deshalb stand für sie schnell fest: Wenn der Mietvertrag für ihr aktuelles Ladenlokal ausläuft, soll es einen neuen, dauerhaften Freiraum geben.

Foto: Julia Löhning Fotografie

Nach intensiver und kräftezehrender Suche konnte sich das Team schließlich eine Fläche am Rosenplatz sichern, die voraussichtlich im Mai oder Juni bezogen werden kann. „Wir freuen uns sehr, endlich eine permanente Bleibe gefunden zu haben und den Münsteraner:innen weiterhin ihre liebsten Second-Hand-Stücke anbieten zu können“, berichtet Nikola. Momentan wird der Laden teils eigenhändig umgebaut, um den Ansprüchen aller Kund:innen gerecht zu werden. Hierbei setzen die Gründer:innen auch auf die Unterstützung ihrer Fanbase: Bis zum 12. Mai sollen über ein Crowdfunding-Projekt 12.000 Euro gesammelt werden, die dem neuen Laden zugutekommen. Neben klassischen Spenden können auch verschiedene Goodies erworben werden, beispielsweise Gutscheine, eine Kleiderbügel-Patenschaft oder ein exklusives Shopping-Event.

In Zukunft soll unter anderem das Upcycling weiter ausgebaut und das Lager erweitert werden, damit noch mehr Produkte angenommen werden können und bestenfalls kein Aufnahmestopp verhängt werden muss. Auch nachhaltige Bildungsarbeit wird weiterhin im Vordergrund stehen: „Wir wollen den Leuten klar machen, dass Second-Hand-Mode nicht nur individuell, cool und günstig, sondern vor allem auch echt nachhaltig und umweltbewusst ist.“ Das langfristige Ziel des Dreiergespanns ist es letztendlich, auch über Münster hinaus bekannt zu werden, Kleidung aus ganz Deutschland anzunehmen und weitere Filialen zu eröffnen. Bis dahin könnt ihr Nikola, Bijan und Naddi über folgenden Link unterstützen: https://www.startnext.com/freiraum-secondhand.

Hier soll der neue Laden entstehen.
Foto: Julia Löhning Fotografie

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