Mache ich morgen

So der Schreibtisch ist aufgeräumt. Die Blumen müsste ich auch mal wieder gießen. Können Spatzen eigentlich auf einem Bein stehen? Und wann habe ich Oma das letzte Mal angerufen?” Wir alle schieben gerne mal etwas auf, vor allem in der Klausurenphase. Prokrastination kann aber auch zum ernsten Problem werden und die Betroffenen unter einem enormen Leidensdruck stellen. Aber was kann man sich unter der Prokrastinationsambulanz vorstellen und woran merke ich selbst, dass ich vielleicht professionelle Hilfe brauche?

Wozu eine Prokrastinationsambulanz?

Die Klausuren rücken immer näher, während wir uns lieber zurücklehnen, um uns den wirklich wichtigen Dingen des Lebens zu widmen: Jodel, Netflix und den ungeputzten Fenstern, die jetzt sofort auf Hochglanz gebracht werden müssen. Wenn die Deadline dann aber unaufhaltbar näher rückt, bricht die Panik aus. Die Arbeit, die immer auf die „nächste volle Stunde“ geschoben worden ist, wird nun mit eher weniger Bravour in der letzten Minute erledigt. Laut einer Studie, die an der WWU Münster durchgeführt wurde, sagen nur 1,5 Prozent der befragten Studierenden von sich selbst, dass sie keine Probleme mit Aufschieben hätten.

Doch was ist zu tun, wenn das Aufschiebeverhalten zum ernsten Problem wird? Die Prokrastinationsambulanz der WWU Münster könnte dann die richtige Anlaufstelle sein. Hier werden Diagnostik, Beratung und Therapie zum Thema Prokrastination angeboten. Die Spezialambulanz wird aus Qualitätsverbesserungsmitteln der Uni Münster finanziert und richtet sich vorrangig an Studierende der WWU. Seit 2004 wird systematisch zum Thema Prokrastination geforscht und das Behandlungsprogramm kontinuierlich weiterentwickelt.

Wann empfiehlt es sich das Angebot der Prokrastinationsambulanz in Anspruch zu nehmen?

Stephan Förster ist Psychotherapeut der Prokrastinationsambulanz und hat eine Daumenregel: „Immer dann, wenn ich merke, dass das Aufschiebeverhalten zu Problemen führt, ich zum Beispiel längerfristig nicht das tue, was ich mir eigentlich vorgenommen hatte, ich damit unzufrieden bin, unter meinem Potenzial bleibe, zunehmend Angst oder Unbehagen beim Gedanken an meine Uniaufgaben entwickele, dann ist es vielleicht Zeit zu sagen: Ich melde mich mal bei der Prokrastinationsambulanz. Viele berichten auch über körperliche Symptome wie Verspannungen, Schlafstörungen oder Magen-Darm-Probleme.“

Wie läuft die Therapie ab?

Um vorab eine erste Einschätzung zu bekommen, kann ein Online-Selbsttest beantwortet werden, den man auf der Homepage der Prokrastinationsambulanz findet.

Für die Vereinbarung eines unverbindlichen Telefon-Screenings von circa 15 Minuten kontaktiert man die Prokrastinationsambulanz entweder per E-Mail oder Telefon. Nach dem Erstgespräch wird dann entschieden, ob die Beratung als Gruppen- oder Einzelgespräch stattfinden sollte. Diese Kurzinterventionen sind für Studierende kostenfrei. 

www.uni-muenster.de/prokrasinationsambulaz

Das Gruppentraining wird mit sechs Teilnehmern an fünf Terminen (à 90 Minuten) von zwei Trainern durchgeführt. Der Fokus liegt dabei auf dem Erlernen von konkreten Verhaltensstrategien, die relativ schnell Verbesserungen bringen sollen. In der Zeit zwischen den Terminen gilt es die Strategien bei sich selbst zu erproben. „Es gehört also auch eine gewisse Grundmotivation dazu!“, hebt Stephan Förster hervor. Nebenbei sollen in einem Online-Workbook die täglichen Fortschritte dokumentiert werden, um diese dann gemeinsam in den Gruppensitzungen auszuwerten und sich selbst reflektieren zu können. Wichtig ist auch, dass das Ganze konkret an einem persönlichen Uniprojekt erprobt wird. „Es handelt sich um keinen Workshop, den man belegt, weil einem die Inhalte irgendwann in ferner Zukunft mal etwas bringen könnten!“, betont Stephan Förster.

Neben den Gruppentrainings gibt es auch Einzelberatungen, die ebenfalls circa fünf Sitzungen in Anspruch nehmen. Wichtig ist auch hier, dass man erstmal ins Arbeiten kommt, um eine Datenbasis zu erhalten, die Aufschluss darüber gibt, was klappt und was nicht. Nach den Kurzinterventionen liegen aber meist schon sehr positive Ergebnisse vor.

„Gibt es über das Aufschieben hinaus etwa eine allgemein verschlechterte Stimmung und verminderten Antrieb nicht nur im Studienkontext, wird empfohlen eine Psychotherapie, zum Beispiel in der allgemeinen Psychotherapie-Ambulanz, zu machen”, erläutert Stephan Förster, “dort hat man dann etwas mehr Zeit, sich auch dem Thema Aufschieben zu widmen.“

Wie wird die Prokrastinationsambulanz momentan angenommen?

Die Akzeptanz der Prokrastinationsambulanz ist momentan sehr positiv. In den ersten Monaten diesen Jahres sind bereits 140 Anfragen von Studierenden der WWU sowie circa 40 externe Anfragen von außerhalb eingegangen. Das sollte allerdings kein Grund sein, sich nicht zu melden. Stephan Förster appelliert an die Studierenden der WWU, zeitnah den Kontakt zu suchen. Ihm sei aber auch bewusst, dass dies nicht immer leicht sei, da pathologisches Aufschieben, also die Prokrastination, teilweise noch immer stigmatisiert werde.

Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des Semesterspiegels (#438). Weitere Inhalte findet ihr exklusiv nur im Heft (PDF).

 

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