„Mein Credo lautet: Scheiß auf die Pläne!“

Der Münsteraner Leon Windscheid gewann Ende 2015 eine Million Euro bei Wer wird Millionär”. Dafür kaufte er das Partyboot MS Günther, das fortan den Kanal im flackernden Licht der Discokugeln hoch und runter fährt. Anfang September weihte Leon Windscheid die MS Günther offiziell mit Günther Jauch ein.

Unter Mitarbeit von Jannes Tatjes

SSP: Du bist Besitzer eines Partyboots. Gehst du überhaupt noch feiern?

LW: Ich war schon früher im Partybusiness als Selbstständiger unterwegs und habe Studentenpartys organisiert. Damals im AMP, im Schwarzen Schaf, im Heaven oder im Fusion Club. Deshalb fühle ich mich ein bisschen wie zu Hause in der Münsteraner Partyszene und gehe auch selbst gerne feiern. Am liebsten gehe ich ins AMP, da ist die Stimmung ist am besten. Ich gehe auch bei uns auf dem Boot ab und zu feiern. Auch wenn das immer ein bisschen schwierig ist, weil mir an Bord natürlich stets kleine Dinge auffallen, die man noch besser machen könnte.

Münster ist eine Studentenstadt. Auf der MS Günther werden unter anderem Weinverkostungen oder Cocktail-Schulungen angeboten, was sich ja nicht unbedingt an Studenten richtet. Ist die MS Günther überhaupt für Studenten gedacht?

LW: Wir haben am Anfang Sorge gehabt, dass es beim jüngeren Publikum mit zu viel Alkohol im Chaos enden könnte. Bei unseren ersten Veranstaltungen für Studenten wurden wir aber vom Gegenteil überzeugt und alles ist super gelaufen. Wir bemühen uns bei vielen Veranstaltungen Preise für alle zu schaffen, weshalb wir die Aktion „Zahl, was du kannst” ins Leben gerufen haben, sodass auch Studenten die Möglichkeit haben, an unseren Veranstaltungen teilzunehmen.  

Leider nicht bei allen Events. Zum Beispiel sind bei den Weinseminaren oder Gin Tastings die Kosten durch die hochwertigen Produkte, die wir einsetzen schon so hoch, dass es einfach zu knapp kalkuliert wäre, wenn wir weitere Rabatte gäben. Was nämlich immer noch zusätzlich berücksichtigt werden muss, ist, dass das Boot bewegt werden muss und auch Crew oder versicherungstechnische Angelegenheiten sehr teuer sind.

SSP: Wie kann man sich eine Party auf der MS Günther ungefähr vorstellen?

LW: Nehmen wir zum Beispiel unsere “Full Moon Float”. Diese Party findet immer bei Vollmond unter der Woche statt. Wir legen dann um Mitternacht am Hawerkamp ab. Das Ufer ist beleuchtet, wir haben DJs, bieten Getränke und Zuckerwatte an – also eigentlich alles was man aus dem Club auch kennt. Wenn jedoch das Boot ablegt, herrscht immer kurz Stille und alle sind begeistert, weil dieses Gefühl, auf dem Wasser zu fahren, etwas ganz Besonderes ist. Etwas, was man aus einer normalen Disco natürlich nicht kennt.

SSP: Was ist denn letztlich dein Plan? Mit der MS Günther durchstarten als Unternehmer oder an der Uni arbeiten?

LW: Du fragst jetzt nach meinem Plan. Ich kenne das von vielen Kommilitonen und von mir, als ich damals mit meinem Studium angefangen habe. Man macht sich seine Pläne und Gedanken: Ich will ins Ausland, später diesen oder jenen Job haben und in genau der einen Stadt wohnen. Mein Credo lautet: Scheiß auf die Pläne! Das heißt nicht, dass du dir keine Ziele setzen sollst oder nicht ins Ausland gehen solltest, aber Pläne, wie  “Ich sehe mich in 5 Jahren da und da”, sind zwar schön, aber aus meiner Sicht oft nur unnötiger Ballast. Bei mir ist es nun so, dass ich durch die gewonnene Million bei Günther Jauch aus einer gewissen Entspanntheit heraus handeln kann, aber ansonsten hat sich bei mir nicht viel geändert. Mach doch mal das Gedankenexperiment und stelle dir vor, du hättest von heute auf morgen eine Million. Was würdest du denn dann alles anders machen? Ich selber mache eigentlich genau das Gleiche wie vorher auch.

Leon Windscheid (rechts) und Oliver Trepper. (Foto: Nils Heede)

SSP: Auf eurer Homepage steht, dass ihr als junge Unternehmer gesellschaftliche Verantwortung tragen wollt. Was heißt das ganz konkret?

LW: Wir haben mit der MS Günther den Vorteil, dass es uns damit nur bedingt um Geld geht. Natürlich müssen wir vernünftig wirtschaften, aber reich wird man damit nicht. Darum geht es uns auch nicht. Das heißt, wir können nicht einmal eben 100.000 Euro an die Krebshilfe spenden. Aber wir machen beispielsweise mit der Krebshilfe eine kostenlose Fahrt. Wir stellen das Boot und die Aufmerksamkeit zur Verfügung. Ein anderes Beispiel ist eine Lesung von Wilsberg-Schauspieler Leonard Lansink. Die Erlöse aus dem Fahrkartenverkauf gehen komplett an die Krebsberatungsstelle. Letztens haben wir außerdem zum Beispiel die gesamten Flüchtlingen aus der Oxford-Kaserne mit Babys, Kindern und Eltern zu einer Nachmittagstour eingeladen. Ab August werden wir einem geflüchteten Jungen aus Syrien, der ohne Eltern nach Münster gekommen ist, zusammen mit der IHK und der Stadt einen Arbeitsplatz anbieten. Wir haben nicht nur eine Kampagne, weil es uns um noch mehr Aufmerksamkeit geht, sondern weil wir uns fragen, wo etwas getan werden kann. Wo können wir etwas tun und mit dem Schiff etwas zurückgeben.

Du hast dich in Interviews auch politisch geäußert und Merkels Flüchtlingspolitik gestützt. Das ist ja nicht unbedingt typisch für einen Unternehmer.

LW: Das Flüchtlingsthema sehen viele Leute kontrovers. Und wir sehen auch die Herausforderung darin. Es gibt natürlich einen Kulturschock und die Integration läuft noch nicht überall so, wie sie sollte. Das ist eine Herausforderung und dass damit auch Probleme einhergehen, ist uns vollkommen klar. Aber für uns ist der zentrale Punkt die Sichtweise darauf. Man muss das Ganze positiv und als Chance verstehen. Das ändert alles. Ich bitte einfach mal zu bedenken, wie das für uns wäre, mit einem Rucksack ein halbes Jahr lang Richtung Syrien zu fliehen, weil hier eine Terrormiliz unterwegs ist, und dann dort in Containern zu leben. Wenn man das Thema positiv und mit offenem Visier angeht, dann kann man das zu einer richtig guten Sache wenden. Abgesehen von meinem Appell, das rechte Geheul zu lassen und es als Sache der Menschlichkeit zu betrachten anderen in Not zu helfen, sage ich auch an alle, die Sorgen wegen der Wirtschaft oder Arbeitsplätze haben: Die Flüchtlinge werden im Endeffekt helfen! Für die Wirtschaft in Deutschland ist das eine Chance.

SSP: Abschlussfrage: Würdest du jetzt schon sagen, dass das Projekt MS Günther gelungen ist?

LW: Wir haben fast jeden Tag eine Fahrt. Wann immer möglich, bin ich auch an Bord. Dann begrüße ich jeden Gast persönlich, wenn er an Bord kommt. Später frage ich jeden Gast, wie es ihm gefallen hat. Da sagen viele, es war sehr gut, aber manche haben auch Verbesserungsvorschläge. Dieses “Immer weiter Schrauben” und “Nicht Zurücklehnen” ist das, was am Ende den Erfolg ausmachen wird. Man muss immer weitermachen und nie zufrieden sein. Das treibt mich an.