Das Schaufenster zur Wissenschaft

Die Direktoren der Münsteraner Universitätsmuseen über Wissenschaft und Öffentlichkeit.

Gleich zwei Museen der WWU öffneten im Dezember 2019 nach fünfeinhalb Jahren Umbauzeit wieder ihre Türen für Besucher: Das Archäologische Museum im Fürstenberghaus und wenige Meter weiter das Bibelmuseum in der Pferdegasse. Doch dann kam das Coronavirus: Wenige Monate nach der lang ersehnten Wiedereröffnung mussten beide Kulturstätten wieder schließen. Jetzt sollen beide Museen wieder geöffnet werden: Das Archäologische Museum bereits am Samstag, den 18. Juli, und das Bibelmuseum am Montag, den 24. August. Wir haben mit den Direktoren beider Museen über die Neuerungen in ihren Einrichtungen und die besondere gesellschaftliche Aufgabe der Universitätsmuseen gesprochen.

Forschung in Echtzeit

Wertvolle Münzen, antike Skulpturen und Vasen und vieles mehr: 2.500 Ausstellungsstücke beherbergt das Archäologische Museum der WWU. Dank der Renovierungsarbeiten hat sich die Ausstellungsfläche des im Fürstenberghaus angesiedelten Museums verdoppelt. Darüber freut sich besonders Prof. Dr. Achim Lichtenberger, Direktor des Archäologischen Museums an der WWU: „Das heißt, dass wir jetzt tatsächlich fast unsere gesamte Sammlung zeigen können und zugleich auch die Möglichkeit haben, diese Sammlungen in Aktion zu zeigen“. Denn ein Teil der neuen Ausstellungsfläche ist auch das sogenannte begehbare Magazin. In diesem Lehrwerkstattbereich können die Besucher:innen des Museums hinter einer Glasfassade zusehen, wie an den Objekten geforscht und gelehrt wird. Das Museum ist aus der engen Verbindung mit dem Fach Klassische Archäologie an der Uni Münster entstanden. Diese enge Bindung wird durch das Lehrmagazin besonders deutlich. „Das ist etwas, das uns ganz wichtig ist: Die Wissenschaft und die Erforschung der Objekte auch transparent zu machen.“, betont auch der Museumsdirektor.

Bei diesen gezeigten Objekten handelt es sich um eine große Bandbreite an Sammlungsstücken. Die ältesten Objekte stammen aus dem fünften Jahrtausend vor Christus, die Jüngsten gehen bis ins späte erste Jahrtausend nach Christus zurück. Inhaltlich befasst sich das Museum mit den antiken Mittelmeerkulturen. „Unser Museum hat aber einen deutlich größeren Rahmen, weil wir auch die zum Teil prähistorischen Kulturen, insbesondere Ägypten und den Vorderen Orient und weitere angrenzende Kulturen des antiken Mittelmeerraums mitberücksichtigen.“, erklärt Lichtenberger. Neben der Sammlung an Antiken beherbergt das Archäologische Museum auch Gipsabgüsse antiker Skulpturen, eine Münzsammlung, Hologramme antiker Objekte und eine große Sammlung an Modellen antiker Städte. Letzteres ist „ein absolutes Alleinstellungsmerkmal“ für das Archäologische Museum, betont Professor Lichtenberger.

Die Bibel im Laufe der Geschichte

Läuft man vom Archäologischen Museum aus die Pferdegasse runter gelangt man bereits wenig später zum Bibelmuseum. Dieses gilt als einziges wissenschaftlich-universitäres Museum seiner Art in Deutschland. Doch wieso ein ganzes Museum der Bibel widmen? „Die Bibel ist nicht nur die Grundurkunde des christlichen Glaubens und damit die Grundlage für den Glauben für mehr als zwei Milliarden Christen auf der Welt, sondern auch ein wesentliches Kulturgut, ohne welches wir die eigene Geschichte und Kultur nicht verstehen können.“, weiß Prof. Dr. Holger Strutwolf, Direktor des Bibelmuseums, „Die Bibel hat unsere Kultur über zwei Jahrtausende geprägt. Die Erforschung ihrer Überlieferung und ihrer Interpretation gibt uns tiefe Einblicke in die Geistesgeschichte Europas und der Welt.“

Dementsprechend zeigt das Bibelmuseum das Schriftwerk auch in all seinen Facetten. Über 1.500 Exponate unterschiedlichster Herkunft und Materialität sind in dem Museum ausgestellt. „Unser ältestes Exponat ist eine sumerische Tontafel mit einem vorbiblischen Schöpfungsbericht“, berichtet Professor Strutwolf. Verschiedene Ausgaben der Bibel zeigen ihre Bedeutung für die Menschen und die unterschiedlichen Traditionslinien, Änderungen und den individuellen Umgang mit den Heiligen Texten. Hierzu gehören Raritäten, wie ein Stein des Turms zu Babel aus dem 6. Jahrhundert vor Christus, äthiopische Handschriften, aber auch moderne illustrierte Bibeln bekannter Künstler wie Doré oder Chagall.

Durch den Umbau haben sich die inhaltliche Konzeption und die Ausstellungsarchitektur komplett geändert. Außerdem ist das Museum nun klima- und lichttechnisch optimal aufgestellt, um die wertvollen Ausstellungsstücke bestmöglich zu präsentieren. Das geschieht in sechs verschiedenen Bereichen mit eigenem Themenschwerpunkt. Im letzten dieser Bereiche wird durch eine VR-Brille die Arbeit des Instituts für Neutestamentliche Forschung der WWU gezeigt, das eng mit dem Museum verbunden ist. 

Provenienz

Doch wie kommt die Universität Münster an solche wertvollen Ausstellungsstücke? Bei der Mehrzahl der Objekte handelt es sich um Schenkungen, Dauerleihgaben oder Ankäufe durch die Universität. „Ein großer Ankauf war der altsprachliche Teil der Sammlung Remy mit knapp 700 lateinischen, griechischen, hebräischen und syrischen gedruckten Bibeln“, erinnert sich Holger Strutwolf. Diese Vergrößerung der Sammlung im Jahr 2010 ist auch der Grund für den Ausbau des Bibelmuseums gewesen.

Das bereits 1884 gegründete Archäologische Museum verlor während des Zweiten Weltkriegs seine gesamten Bestände. Die jetzige Sammlung wurde erst nach dem Krieg wiederaufgebaut. „Dieser Aufbau ist durch mehrere große Ankäufe entstanden, zum Teil von historischen Sammlungen“, so Professor Lichtenberger. Die Frage der Herkunft antiker Objekte bringt jedoch schonmal unerwünschte Schwierigkeiten mit sich. „Gerade bei den Schenkungen müssen wir immer sehr streng darauf achten, dass diese einen legalen Hintergrund haben und nicht illegal in den Besitz der Stifter gekommen sind. Das ist ein sehr schwieriges Unterfangen.“, erklärt der Direktor des Archäologischen Museums. Erst im letzten Jahr ergaben sogenannte Provenienzforschungen, dass es sich bei einem Marmorkopf, den die WWU in den 1960er Jahren erworben hatte, um ein gestohlenes Objekt handelte. Das wertvolle Ausstellungsstück wurde dann umgehend nach Italien restituiert. „Wir bemühen uns diese Provenienzforschung zu machen, wann immer es geht. Und wenn sich tatsächlich herausstellt, dass Objekte keine legale Herkunft haben, dann geben wir sie zurück.“, berichtet Lichtenberger.

Das Fenster zur Wissenschaft

Eine Besonderheit von Universitätsmuseen, die gewöhnliche Museen so nicht vorweisen, ist der „Stimulus der Studierenden“, wie der Direktor des Archäologischen Museums zu schätzen weiß. Die Studierenden der zu den Museen gehörenden Institute werden in die Museumsarbeit mit eingebunden. „Das ist etwas, das in anderen Museen in dieser Form nicht möglich ist. Bei uns werden die Studierenden bei der Erstellung von Ausstellungen und der Beforschung von Objekten beteiligt.“, so Lichtenberger, „Wir wollen ihnen die Möglichkeit geben an den antiken Objekten selbst zu lernen und zu studieren.“ Denn ein Großteil der Absolventen des Archäologischen Instituts wird später einmal in Museen oder an anderen Arbeitsstellen angestellt sein, wo sie mit alten oder antiken Objekten unmittelbar zu tun haben werden. Auch das Bibelmuseum beschäftigt acht Studentische Hilfskräfte aus den Reihen des Instituts für Neutestamentliche Forschung. 

Auch Professor Strutwolf vom Bibelmuseum weiß die Besonderheit eines Universitätsmuseums zu schätzen: „Klassisch hat ein Museum die vier Säulen Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln zu besetzen. Ein Unimuseum ist personell und finanziell anders aufgestellt als große Museen. Der Schwerpunkt liegt deutlich stärker auf der Forschung und der Vermittlung universitärer Erkenntnisse auch an eine große Öffentlichkeit.“. Das Universitätsmuseum als eine Art „Schaufenster der Wissenschaft“ also, weiß auch Professor Lichtenberger. Ein Museum dieser Art bietet auch aber auch Fachbereichen ganz andere Möglichkeiten, die wissenschaftliche Arbeit an der Universität in die Öffentlichkeit zu tragen, als es für gewöhnlich bei universitären Instituten der Fall ist und damit zu zeigen, was eigentlich in einer Universität an Forschung passiert. „Gerade Objekte sind da unheimlich geeignete Anschauungsgegenstände, um kulturgeschichtliche Sachverhalte handgreiflich und unmittelbar einsichtig zu vermitteln.“, betont Lichtenberger. Zeigen, was an der WWU für Forschungsarbeit geleistet wird, ist also eine wichtige Aufgabe von Universitätsmuseen. “Warum gibt es diese wissenschaftsbasierten Fächer und was können sie dazu beitragen, gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen?”, sind laut Professor Lichtenberger Fragen, die durch den Besuch der Universitätsmuseen beantwortet werden sollen.

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