von einsamen maronen und bratäpfeln

zwanzig im 21. Jahrhundert

ich glaube, ich werde die weihnachtszeit dieses jahr alleine verbringen. habe den sommer in fremden armen verbracht und im herbst durch die fallenden blätter tausend gesichter geswiped. manche landeten in meinen dms, ich bin wie in pfützen ertrunken. der eine war es fast, aber doch nicht ganz und vielleicht wird es auch doch erst der nächste sein. aber vielleicht muss ich im winter auch einfach mal lernen, alleine zu sein. es ist so leicht zu swipen, so schwer die stille in mir auszuhalten. es ist so leicht, ein paar oberflächliche nachrichten auszutauschen, so schwer auf mich selbst zu hören. es ist so leicht, von romantischen nächten zu träumen, so schwer alleine einzuschlafen. es ist so leicht, ein paar bilder von mir in einem profil hochzuladen, es ist so schwer, mich selbst wirklich zu kennen. ich glaube, ich habe die ganze zeit nur nach mir selbst gesucht. wie sollte ich da schon fündig werden. 

aber im dezember werde ich dieses jahr alleine sein. ich werde mit einem dicken schal und handschuhen durch die weihnachtliche stadt laufen. ich werde mich auf eine parkbank in der wintersonne setzen und die anderen beim spazieren beobachten. ich werde mich selbst an die hand nehmen und die bilder der museen bestaunen, wenn es regnet. ich werde mich vor das kinderkarussell auf dem weihnachtsmarkt stellen und den spielzeugpferden beim vorbeiziehen zuschauen. ich werde bratäpfel und maronen vom stand nebenan riechen und durch die fenster der alten häuser weihnachtsbäume leuchten sehen. ich werde an den bunten ständen mit weihnachtskugeln, strohsternen und gebrannten mandeln vorbeigehen und nichts kaufen. ich werde meine kuscheligen weihnachtssocken tragen und leise weihnachtslieder hören. ich werde mir zu hause einen kinderpunsch aufwärmen und spekulatius kekse essen. vielleicht schreibe ich etwas in meine kleinen notizbücher. ich werde ganz viele geschenke für meine familie und meine freund:innen basteln und sie mit kleinen weihnachtskarten verzieren. ich werde abends in meinem zimmer eine kerze anzünden und zusehen wie das wachs langsam den kerzenstab hinunter rinnt . ich glaube, die kitschigen amerikanischen weihnachtsfilme lasse ich dieses jahr weg. aber vielleicht schaue ich die weihnachtsmärchen am sonntagmittag auf kika, so wie mit neun. ich werde meine geige aus ihrem verstaubten kasten nehmen und ein paar alte lieder spielen. vielleicht erinnern sich meine finger ja noch an dinge, die mein kopf verdrängt hat. 

alle blätter sind gefallen, die bäume sind kahl. ich glaube, ich werde dieses jahr die weihnachtszeit alleine verbringen. es ist zeit, alleine durch pfützen zu laufen und der welt beim leben zuzuschauen. dieses weihnachten bin ich nur bei mir.