Rezension: Das Glück ist lavendelblau – Pauline Mai
Wer die Provence nicht schon vor dem Lesen liebt, liebt sie spätestens nach dem Lesen des Buches.
Wer die Provence nicht schon vor dem Lesen liebt, liebt sie spätestens nach dem Lesen des Buches.
wir dachten, die welt würde uns gehören, alles wirkte so nah, wir hatten die weisheit zum frühstück verschlungen. wir wussten, alles würde sich bald verändern und weinten am letzten schultag mit allen mitschüler:innen, die wir nicht mochten.
heute möchte ich essen, wann und wie viel ich lust habe, ohne mich schlecht zu fühlen. ich möchte vergessen, dass mir alle sagten, was für eine tolle figur ich doch hätte, als ich kaum etwas wog. ich möchte es okay finden, wenn ich drei kilo mehr wiege als mit achtzehn und ich möchte aufhören, mich selbst mit anderen körpern zu vergleichen.
ich lebe nicht, das leben lebt mich. alles ist so strukturlos, so vage, so unverbindlich. alle konturen verschwimmen vor meinen augen, ich seh die welt verschwommen, bin selbst schon fast zerronnen.
ich schreibe darüber, wie es ist, im 21. jahrhundert anfang zwanzig zu sein. wie es ist, sich zwischen krisen, tiktoks und kriegsausbrüchen eine zukunft vorzustellen. wir können alles sein, queer, polyamor, monogam, aber was wollen wir eigentlich? wir können so viel swipen, wie wir wollen, so viele menschen sind nur einen klick von unserem leben entfernt, haben tausend optionen. wir […]
Zu lange Nase. Swipe nach Links. Komischer Blick. Swipe nach Links. Hm, der ist ganz hübsch. Swipe nach rechts. Anschreiben, drei Tage lang schreiben, vielleicht treffen – oder doch ghosten?
dopamin rauscht von den algorithmen direkt in mein blut, ich verblute im glück.
wir tragen das leid der welt in glänzenden rucksäcken, wenigstens schauen wir nicht weg, so wie die anderen.
zwanzig im 21. Jahrhundert ich glaube, ich werde die weihnachtszeit dieses jahr alleine verbringen. habe den sommer in fremden armen verbracht und im herbst durch die fallenden blätter tausend gesichter geswiped. manche landeten in meinen dms, ich bin wie in pfützen ertrunken. der eine war es fast, aber doch nicht ganz und vielleicht wird es auch doch erst der nächste […]
eswegen ist es die Aufgabe der Zivilgesellschaft, diese Machtstrukturen anzuklagen. Die Aufgabe von uns allen.